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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0050

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Kephisodotos und Timarchos: Das Sitzbild Menanders

sammen und verleiht der Figur den schönen, geschlossenen Umriss.
Der Bildniskopf ... wirkt ideal und 'klassisch'. Er steht noch ganz
unter dem Eindruck der Alexanderzeit."

Demgegenüber zeigt Paul Zanker, "dass alles an dieser Statue der
Norm widerspricht." ... "Das Sitzen auf einem Lehnstuhl, das
früher, auf den klassischen Grabreliefs nur Frauen und Greisen vor-
behalten war, stellt den Dichter als Privatmann vor, der einen be-
quemen und aufwendigen Lebensstil pflegt." ... "Der Mantel ist
sehr viel stoffreicher als früher, der Überfall so auffällig elegant und
gleichzeitig auch wieder lässig über den Körper drapiert, dass der
Überschuss an Stoff und Falten voll zur Geltung kommt." Beide
Charakterisierungen sind durchaus treffend, gehen aber von ver-
schiedenen Ansatzpunkten aus. K. Fittschen von einem kunsthisto-
rischen, P. Zanker von einem soziologischen. Soll man es wagen,
noch einen dritten zu wählen?

Die Absicht dieses Buches zwingt dazu, aber dieser dritte Ansatz-
punkt kann kaum etwas anderes sein als der Versuch, die beiden ge-
nannten Ansatzpunkte zu vereinen, das Werk aber unter den künst-
lerischen Erfahrungen zu beurteilen, welche andere Werke der glei-
chen Zeit, vor allem die Tyche des Eutychides (S. 26), bieten. Ist die
Verschiedenheit der beiden Sitzstatuen des Dichters und der
Glücksgöttin eine stilistische oder nicht einfach eine inhaltliche?
Was haben die mythische Frauenfigur und die historische Person
des Komödiendichters gemeinsam ausser der Zeit und dem Sitzmo-
tiv? Kann man erkennen, dass sie Kunstwerke der gleichen Zeit
sind? Ist das eine wirklich retrospektiv, das andere prospektiv?
Spricht gegen eine solche Beurteilung nicht die unbestreitbar hohe
Qualität der beiden Schöpfungen? Nur eine vergleichende Beschrei-
bung kann auf solche Fragen Antwort geben. Der Dichter sitzt läs-
sig da, Tyche in einer ambivalenten Spannung. Und doch gibt es
auffallend vergleichbare Züge, die als neu empfunden werden. Her-
vorgehoben seien das Gegeneinanderlaufen und Gegeneinander-
stossen diagonaler, dünnerer Falten am Unterkörper und kräftiger,
tief unterhöhlter, dickerer am Oberkörper, die Tatsache, dass der
Oberkörper der Tyche durch ihren Mantel gefesselt ist und auch bei
Menander "der von der linken Schulter zum rechten Knie geworfe-
ne Mantel den Körper zusammenbindet" (K. Fittschen), der bei bei-
den Plastiken markante Unterschied zwischen ruhig gestelltem, ge-
bundenem beziehungsweise gefesselten Oberkörper und frei be-
weglichen Beinen, die mit ihren Schaukelfalten bei Tyche den Ein-
druck des Wippens erwecken, beim Dichter den Eindruck, als be-
wege er die Knie gegeneinander; das sind Züge des Zeitstils.

Unverkennbar vom Zeitstil geprägt ist auch der Bildniskopf Men-
anders. Er lässt sich in vielen Zügen mit den schon behandelten
Bildnissen der Diadochen Demetrios Poliorketes, Seleukos I. und
Ptolemaios I. vergleichen, deren Zeitgenosse der Dichter war und

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