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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0056

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POLYEUKTOS: DAS STANDBILD DES DEMOSTHENES

Demosthenes des
Polyeuktos
Kopenhagen,
Ny Carlsberg
Clyptotek.
280 v. Chr.

10. Polyeuktos: Das Standbild des Demosthenes

Nachdem Olympiodoros durch seine kluge und tatkräftige Politik
den Einfluss Makedoniens zurückgedrängt hatte, besann man sich
in Athen auf die Politiker, die sich schon im zweiten Viertel des
vierten Jahrhunderts gegen die makedonische Gefahr gewandt
hatten.

Damals scheint die unter dem Namen Plutarchs überlieferte "Le-
bensgeschichte der zehn Redner" entstanden zu sein, die zuerst bei
Caecilius von Kala Akte in augusteischer Zeit greifbar ist. Dort ist
von der Aufstellung einer Ehrenstatue des Demosthenes unter dem
Archontat des Glaukos im Jahr 280 v. Chr. die Rede. Als Schöpfer
der Bronzestatue wird Polyeuktos von Athen genannt. Diese durch
zahlreiche römische Kopien bekannte Statue, die einzige, die von
Demosthenes existiert, ist alles, was man von deren Schöpfer kennt.
Es ist interessant, sich klarzumachen, dass in diesem Fall nicht ein
einzelner Machthaber wie Seleukos I. bei der Tyche von Antiochia
der Auftraggeber war, sondern eine demokratisch gewählte, städti-
sche Kommission, die aus mehreren Mitglieder bestand und sich
durch Abstimmung über die Vergabe des Auftrags einigen musste.
Der Antragsteller war ein Enkel des Demosthenes namens De-
mochares, der lange im Exil gelebt hatte und als der führende Kopf
der Demokraten in Athen galt. Man übertrug die Aufgabe einem
Bildhauer, der nur durch sie bei der Nachwelt berühmt wurde, es al-
so vielleicht vorher nicht war und auch keine anderen Aufträge aus-
geführt hat, von denen man wüsste. Sicher hat die literaturge-
schichtliche Bedeutung und Berühmtheit des Dargestellten - wie bei
Menander - dazu beigetragen, dass das Werk so häufig kopiert wur-
de. Die Kopienkritik hat gezeigt, dass die weitgehenden Überein-
stimmungen zwischen den einzelnen Repliken eine ausreichende
Originaltreue garantieren. Es ist dem Vermögen des Betrachters
überlassen, die künstlerische Bedeutung der Plastik zu beurteilen.
Bei der Schlichtheit des Werkes kann man vielleicht einige Züge
übersehen, die hier zum ersten Mal an einem aufs Jahr datierten
Werk begegnen.

Ein ausgemergelter Mann mit fallenden Schultern, mit kraftlo-
sen, dünnen Armen und faltiger Haut steht aufrecht vor uns und
sammelt seine ganze geistige Energie im leicht zur Seite gewand-
ten und gesenkten Haupt. Der Kopf markiert die obere Spitze des
oblongen Sechsecks, das seine abfallenden Schultern, seine herab-
hängenden Oberarme und seine Unterarme bilden. Diese werden
an der unteren Spitze des Sechsecks durch die mit den Fingern ver-
schränkten Hände zusammengehalten. Diese Haltung des Kopfes,
der Arme und der Hände, für die die überaus einfache Mantelsta-
tue nur die Folie bildet, hat zu verschiedenen Interpretationen An-
lass gegeben. Das Ineinanderschieben der Finger hindert den Red-

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