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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0057

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POLYEUKTOS: DAS STANDBILD DES ÖEMOSTHENES

Ny Carlsberg
Glyptotek.
280 v. Chr.

ner auf jeden Fall am un- Demosthenes des
kontrollierten Gestikulie- Polyeuktos
ren. Doch kann dies nicht Kopenhagen,
vordergründig gemeint
sein. Zu deutlich macht
die kunstvolle Form, mit
der die verschränkten
Hände zum Haupt in Be-
ziehung gesetzt sind, auf
deren Gebärde aufmerk-
sam. Man versteht diese
Beziehung erst, wenn
man das von Plutarch
(mor. 874 A) überlieferte
Epigramm vom Sockel
der am Staatsmarkt von
Athen aufgestellten Sta-
tue beachtet und auf die
Aussage des Bildwerks
hin befragt: "Wenn Du,
Demosthenes, soviel
Macht gehabt hättest wie
Geist, der makedonische
Ares hätte die Griechen
nicht beherrscht." Das
Epigramm spielt mit dem
Gleichklang der Worte Gnome (Geist) und Rhome (Macht). Man
sieht es: der Kopf ist frei, aber die Hände sind ihm gebunden. Man
könnte einwenden, dass er sie selbst bindet. Doch es sind seine
Feinde, die Makedonenfreunde Aischines, Eratosthenes und De-
metrios von Phaleron, die ihm rauschhaftes Reden und vulgäres
und affektiertes Gestikulieren vorwarfen. Paul Zanker hat in seiner
tiefe historische Einsichten gewinnenden Untersuchung des Bildes
der Intellektuellen in der antiken Kunst gezeigt, "dass die Statue
den Vorwurf heftiger Gebärden aufnimmt, um ihn zu widerlegen
und gleichzeitig das leidenschaftliche Engagement des Demosthe-
nes zu rühmen". Indem Demosthenes die Hände hilflos ver-
schränkt, wozu die Kritik der Makedonenfreunde ihn zwang, wird
dieser Zwang selbst vergegenwärtigt, gegen den Demosthenes nur
die intellektuelle Anstrengung setzen kann, die sich in den
krampfhaft zusammengezogenen Augenbrauen und dem verbis-
senen Mund äussert.

Bei dieser Statue kann man kaum noch von Schönheit des Realis-
mus reden, aber maiestas, Erhabenheit kann man ihr nicht abspre-
chen. Wo der eine der beiden Begriffe versagt, die nach Xenokrates
das Kunstwerk konstituieren, kann der andere eintreten.

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