Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0064
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Bildnisse des Philetairos, Ptolemaios II. und Nikomedes I.

Ptolemaios II.

nicht nur in der plastischen Gesamtgestal-
tung, sondern auch in kleinen Zügen ein
Individuum zu zeichnen, dessen politische
Tatkraft und Rücksichtslosigkeit im nach-
hinein als Ausfluss der Vision eines bedeu-
tenden Staatsgebildes interpretiert werden
kann.

Philetairos hat nach Ausweis einer aller-
dings nicht sicher datierten Bildhauersi-
gnatur in Pergamon vielleicht jenen Xeno-
krates von Athen an seine Residenz gezo-
gen, dem wir die zu Eingang dieses Bu-
ches zitierten Grundbegriffe der Erfassung
hellenistischer Plastik verdanken. Man ist
so weit gegangen, in Xenokrates den
Schöpfer des Philetairosporträts zu sehen.
Das ist weder auszuschliessen noch zu be-
weisen. Es ist nur verlockend. In diesem
Fall würde man ausser der veritas im Bild-
nis des Philetairos gerne auch pulchritudo,
die man nach landläufigen Begriffen ver-
geblich sucht, und maiestas verwirklicht sehen. Ob man in den evi-
Ncapel, Mus. Arch. denten Charakterzügen des Bildnisses Erhabenheit sehen darf, ist
283 2-246 v. Chr. . . , ,. , .. , , , . . ,

nur subjektiv zu begründen, so unverkennbar wie in anderen

Kunstwerken ist es nicht. Was spricht dann für Xenokrates als
Schöpfer des Bildnisses? Immerhin die Überlegung, dass der Auf-
traggeber sich am ehesten für den berühmtesten Bildhauer als
Schöpfer seines Bildnisses entschieden haben dürfte, und das war
Xenokrates. Davon abgesehen hat die historische Tatsache, dass ein
Künstler und Kunsttheoretiker dieses Ranges von Athen nach Per-
gamon berufen wurde, programmatischen Charakter.

Was bei Xenokrates nur unbewiesene Vermutung ist, trifft auf
jeden Fall für eine ihm geistig verwandte und von Plinius in ei-
nem Atemzug mit ihm genannte Persönlichkeit zu, den Verfasser
von Philosophenbiographien und Kunsthistoriker Antigonos von
Karystos. Er wurde um 300 v. Chr. geboren und verbrachte seine
letzten Lebensjahre in Pergamon. Die Stadt auf dem Berg, die mit
Alexandria um den Ruhm der bedeutendsten Bibliothek konkur-
rierte und, als man ihr den in Ägypten wachsenden Papyrus vor-
enthielt, das Pergament als Schreibmaterial erfand, wurde von ei-
ner kunstsinnigen Dynastie beherrscht, und der Dynastiegründer
war ihr darin vorausgegangen. Bis zu der Zeit, als der letzte
Spross dieser Dynastie, Attalos III., noch kurz vor seinem Tode
dem römischen Konsular und Feldherrn Scipio Aemilianus, den
er von dessen Besuch in Pergamon 139 v. Chr. kannte, aus Anlass
der Eroberung von Numantia 133 v. Chr. quer durchs Mittelmeer

60
 
Annotationen