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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0069

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Doidalsas: Die hockende Aphrodite

Umriss her angelegt, der nur in einer senkrecht zur Breitenausdeh-
nung der Figur verlaufenden Sehachse abgelesen werden kann. Der
Oberkörper ist - unter Hintansetzung der Anatomie - in die gleiche
Ebene gedreht, in der sich die breiten Seitenansichten der Schenkel
entfalten. Das Antlitz im Rahmen seiner Haarfülle ist senkrecht zu
dieser Ebene dem Betrachter zugewandt. Die Haare fliessen zu bei-
den Seiten des Scheitels über den Oberkopf und lösen sich dann von
den Wangen in gewellten Strähnen, die beide Hände ergreifen,
mehr um sie vorzuzeigen als um das Wasser auszuwringen, das bei
dieser Statue überhaupt keine Rolle spielt. Denn es wird keine
Handlung suggeriert wie das Ausgiessen des Badewassers über die
Hockende Aphrodite des Doidalsas, sondern es geht um die kunst-
volle Zurschaustellung eines zarten, in schimmerndem Licht zer-
fliessenden, mädchenhaften Wesens. Der Oberkörper ist über-
schlank, der Unterkörper breit und füllig. Doch die Unterschenkel
sind zu dünn, die Oberschenkel besonders dick, als sollten durch
Steigerung reizvolle Eigenschaften der Körperteile hervorgehoben
werden, die die Natur so nicht unbedingt vereint. Der Begriff der
Schönheit hat sich verselbständigt. Hier dient ja auch nicht mehr
das Naturvorbild selbst als Ausgangspunkt, sondern die schon von
einem Künstler, Doidalsas, in dem berühmten bithynischen Göttin-
nenbild gestaltete Natur. Eines der begrifflich erfassbaren Entwick-
lungsgesetze hellenistischer Plastik ist es, dass die von vorherge-
henden Künstlern plastisch gestalteten Naturformen in einem neu-
en Ansatz einem Prozess autonomer künstlerischer Formung und
Verformung unterworfen werden. Der Zeitpunkt, mit dem dieser
neue Ansatz aktuell wird, muss im weiteren Verlauf der Untersu-
chung präzisiert werden. Hier sei nur soviel gesagt, dass das Neue
dieses Ansatzes - wenn auch auf eigene Weise - an dem zwischen
166 und 156 v. Chr. entstandenen Pergamonaltar deutlich fassbar
wird.

Die in den Zeitraum zwischen 264 v. Chr. - Gründungsdatum der
Stadt Nikomedeia, für die das Götterbild bestimmt war - und dem
Tode des Auftraggebers Nikomedes L um 250 v. Chr. zu datierende
Hockende Aphrodite bietet, was das Frauenbild angeht, einen der
wenigen Fixpunkte hellenistischer Plastik dieser Gattung in dieser
Zeit. Das der Aphrodite des Doidalses stilistisch nicht fernstehende
Mädchen von Antium im römischen Nationalmuseum hat kein si-
cheres Entstehungsdatum. Um die Stilentwicklung vom Früh- zum
Hochhellenismus verfolgen zu können, ist es deshalb sinnvoll, hier
die Betrachtung der leider nicht sehr dichten Reihe aus äusseren
Gründen datierter hellenistischer Sitzstatuen des dritten Jahrhun-
derts wieder aufzunehmen, die mit der Betrachtung der Statue des
Menander von ca. 290 v. Chr. begonnen und zunächst mit der
Dionysos-Sitzstatue des Thrasykles, dem sogenannten Thrasyllos-
Dionysos, von 271/270 v. Chr., fortgesetzt wurde.

Kauernde Aphrodite
Rhodos. Archaiologikon
Mouseion.
Späthellenistisch

Aphrodite des
Doidalsas
Rom, Mus. Naz.
Um 260 v. Chr.

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