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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0070

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Die Bildnisse des Epikur und des Zenon

Epikur
Vatikan,

Sala dclle Muse.
Um 270 v. Chr.

14. Die Bildnisse des Epikur und des Zenon

Die Begründer aller grossen philosophischen Systeme der Griechen,
deren Erinnerung in den zu Allerweltsbegriffen gewordenen Adjek-
tiven zynisch, akademisch, epikureisch und stoisch fortlebt, wurden
durch Bildnisstatuen geehrt, noch in klassischer Zeit, wenn auch
erst posthum, Sokrates (ca. 470-399 v. Chr), sein Schüler Piaton
(427-347 v. Chr.), der die Akademie gründete, und Aristoteles
(384-322 v. Chr), dessen Schule im Peripatos sich davon abspaltete.

Die Begründer der beiden anderen, erst um 300 v. Chr ins Leben
getretenen Philosophenschulen der Stoa (nach der Stoa, der von Po-
lygnot und Mikon ausgemalten "Bunten Halle" am Staatsmarkt von
Athen) und des Epikureismus (nach dem Namen des übermächti-
gen Gründers) erhielten entweder noch vor oder unmittelbar nach
ihrem Tode Ehrenstatuen.

Der Sokratiker Antisthenes (ca. 450/445 - ca. 365 v. Chr) hingegen
und Diogenes von Sinope (400/390-328/323 v. Chr.), der unter des-
sen Einfluss den Kynismus entwickelte, abgeleitet von Kyon -
Hund als Sinnbild der Bedürfnislosigkeit und Schamlosigkeit, die er
predigte, sollten erst lange nach ihrem Tod im zweiten Jahrhundert
v. Chr. durch "erfundene" Bildnisse geehrt werden.

Die datierbaren, aussagefähigen Philosophenbildnisse des dritten
Jahrhunderts sind im Grunde nur drei: das des Begründers der
Schule im Kepos (Garten), Epikur, des Begründers der Stoa, Zenon,
und das von dessen drittem Nachfolger als Schulhaupt, Chrysippos,
vom Ende des Jahrhunderts. Von Zenon sind nur zwei Repliken des
Bildniskopfes in Neapel und Kopenhagen überliefert. Um eine
kunstgeschichtlich aussagefähige Reihe bilden zu können, darf man
das 270 v. Chr. von Thrasykles im Choregenmonument seines Vaters
Thrasyllos am Hang der Akropolis von Athen aufgestellte Sitzbild
des Dionysos und das erst kürzlich von Klaus Fittschen durch die
glänzende Entdeckung des Kopfes vervollständigte Sitzbild des at-
tischen Komödiendichters Poseidippos aus Kassandreia (geb. vor
310 v. Chr., erste Aufführung 290 v. Chr., gestorben um 250 v. Chr.)
heranziehen und die ganze Reihe bis zum "erfundenen" Bildnis des
Antisthenes aus der Zeit um 180 v. Chr. fortsetzen. Man kann dann
in der Nebeneinanderstellung von fünf Bildnisköpfen und wenig-
stens vier dazugehörigen im Sitzen dargestellten Körpern die mög-
lichen Entwicklungsschritte aufzeigen. Die Frage ist also die, ob die
Bildnisse von Menander um 290, von Epikur um 270, von Zenon um
260, von Poseidippos um 250, von Chrysippos um 205 und das "er-
fundene" des Antisthenes um 180 v. Chr. tatsächlich eine stilistische
Entwicklung erkennen lassen.

Die Lücke zwischen den Philosophenbildnissen des Zenon und
des Chrysippos, die man, um die stilistische Reihe zu vervollständi-
gen, mit dem Bildnis des Dichters Poseidippos von etwa 250 v. Chr.

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