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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0073

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Die Bildnisse des Epikur und des Zenon

terleibsschmerzen, die an Heftigkeit nicht zunehmen können; doch
dies alles wird durch die Freude ausgeglichen, die ich verspüre,
wenn ich an unsere gemeinsamen Gespräche denke." (Frgt 138).

Epikur sitzt auf einem von Löwenprotomen getragenen Sessel,
wie sie für die Wohltäter, die obersten Priester und Beamten der
Stadt Athen in der Prohedrie, der vordersten Sitzreihe im Diony-
sostheater, bestimmt waren. Er wird dadurch bildlich in diese Grup-
pe eingereiht. Seine frontale, aufrechte Haltung bezeugt Selbstbe-
herrschung; der von Krankheit gezeichnete, verfallende Leib, den
der um Unterkörper und Rücken geschlungene Mantel auf der rech-
ten Seite frei lässt, zeigt seinen Zustand. Der linke Arm ist wie bei
den Dichtern und Rednern spätklassischer Zeit in die Schlinge des
Mantels gelegt, aber die linke Hand am Ende des langen, anschei-
nend in sehr bewusster Weise genau waagrecht gehaltenen Unter-
arms hängt frei und unbewegt oberhalb des Oberschenkels in die
Luft. Der herabgeführte rechte Arm beim einzigen überlieferten Tor-
so in Athen leider abgebrochen, kreuzte, nach den Bruchstellen zu
urteilen, den anderen Arm auf der Höhe des Handgelenks in einem
stumpfen Winkel. Die Rechte lag untätig im Schoss. Wie die Arme
und Schultern des Demosthenes ein Sechseck bilden, das auf den
Gegensatz zwischen Kopf und Händen aufmerksam machen soll, so
wird hier aus den oberen Extremitäten ein Fünfeck aufgebaut, das
einen Gegensatz zum schlichten Kontrapost des Unterkörpers -
vorgesetztes rechtes, zurückgestelltes linkes Bein - bildet und eine
Basis für das übermächtige, leicht nach vorn sinkende Haupt abgibt.
Die Bewegungslosigkeit der Hände, die wie der Kopf über das Fünf-
eck hinausragen, signalisiert völlige Erregungslosigkeit. Die ganze
Energie ist im Kopf konzentriert.

Die i'ita activa, die der Mitwirkung der Hände bedarf, ist nicht das
Betätigungsfeld des Epikuräers.

Im Bildniskopf Epikurs finden sich, neben bekannten, vollkom-
men neue Züge. Auffallend ist bei dem durch gepflegtes, sorgfältig
gekämmtes und fein gelocktes Haupt- und Barthaar ausgeglichenen
Umriss die grosse Schmalheit und Länge des Schädels; am Erstaun-
lichsten aber sind die wie grosse Schmetterlingsflügel geschwunge-
nen, von zwei hochgeschobenen Faltenbögen begleiteten Brauen
mit den tiefen Orbitalmuskeln über den kleinen, leicht zusammen-
gezogenen Augen. Nicht waagrechte oder zueinander parallel ver-
laufende, sondern wellige, asymmetrische Falten durchziehen die
Stirn, deren fleischige Muskulatur bewegt, aber nicht gespannt er-
scheint, so als huschten Gedanken über sie hin. Über der Nasen-
wurzel stossen eine kürzere Falte rechts und eine etwas längere
links in einem kleinen Kielbogen zusammen und betonen den Ein-
druck der denkerischen Energie. Die Nasenwurzel ist durch einen
Knorpel leicht verdickt. Sonst zeigen sich Alterszüge im Gesicht nur
in den zu den sogenannten Lippenhebermuskeln hin auslaufenden

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