Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0088

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Grosse Galliergruppe

Seife 83 unten:
Ritzzeichnung auf
der Basis des
Sterbenden Galliers

Kompositions-
pentagramm
der grossen Gallier-
gruppe von Pergamon

Gallier Ludovisi
Rom, Mus. Naz.
Palazzo Altemps.
230-220 v. Chr.

Tempels und der Kante des rechten Armes der Porticus Triplex vor
freiem Himmel erschien und nicht von einem architektonischen Hin-
tergrund hinterfangen wurde. Das wäre ein idealer Aufstellungs-
platz für eine Gruppe, wo in der Mitte der sich selbst tötende Häupt-
ling der Gallier pyramidal aufragt und rings um ihn sein Weib, das
er selbst getötet hat, und die vom Feind tödlich verwundeten Ge-
fährten sterbend niedersinken. Das Pentagramm diente nur dazu,
den mittleren Kreis, in dem der Anführer mit seinem neben ihm nie-
dergleitenden Weib stand, und die Achsen von fünf rings um ihn
stürzenden oder schon zu Boden gesunkenen Kriegern festzulegen.
Diese sollten sich nicht, wie es eine ältere Rekonstruktionszeichnung
annimmt, symmetrisch um die zentrale Figur aufbauen (so zeigt es
etwa der Vierströmebrunnen Berninis auf der Piazza Navona in
Rom), sondern sie sollten - der ungeraden Fünfzahl entsprechend -
eine Art Drall um das Zentrum des Kreises erhalten, der aber nicht
dem Zufall, sondern einem strengen Proportionsgesetz anvertraut
wurde. In der erhaltenen Ritzzeichnung sind nur drei Linien des fünf-
zackigen Sterns ausgeführt, hinzu kommen noch fünf Radien, die
von den Schnittpunkten des Sterns mit dem äusseren Kreis zum Mit-
telpunkt desselben führen. Diese Linien könnten als Leitlinien der
ganzen Komposition gedient haben, wie sie in einer senkrechten Pro-
jektion hypothetisch vor Augen gestellt wird.

Diese Überlegungen sind zweifellos kein Beweis, sie zeigen nur
eine Möglichkeit auf, die mit der pyramidalen Komposition des
Galliers, der sein Weib und sich selbst tötet, besser übereinstimmt
als die von anderen vorgeschlagene Aufstellung der Gruppe auf ei-
ner langgestreckten Rechteckbasis, die im linken Flügel der Porticus
Triplex stand. Wenn die Figurengruppe auf dieser aufgestellt wor-
den wäre, hätte man sie nicht auf allen Seiten umschreiten können;
und diese Möglichkeit setzt die Form der Gruppe eigentlich voraus.
Sie in eine lange Reihe von Kampfgruppen zu stellen müsste we-
sentliche Eindrücke verhindern, die der Betrachter gewinnen möch-
te. Daraus folgert, dass sie frei auf einer Rundbasis gestanden haben
dürfte, und eine solche war im Athenaheiligtum nur im Zentrum
gegeben. Es kommt deshalb eigentlich nur darauf an nachzuweisen,
dass die Gruppe auf der Rundbasis gestanden haben kann. Die An-
nahme, dass sie dort wirklich gestanden hat, die man bei der Lage
der Dinge nicht beweisen kann, ist nur eine Konsequenz.

Die Gruppe der "Grossen Gallier" ist immer aufs höchste
gerühmt worden. In ihr scheint das von der antiken Kunsttheorie
formulierte Ziel des Künstlers, im Realismus Schönheit und Erha-
benheit zu verwirklichen, vollkommen erreicht. Dass die Gallier so
heroisch dargestellt sind, lässt ihnen Gerechtigkeit widerfahren,
hebt aber zugleich die Leistung der Sieger hervor, an deren Stelle
der Betrachter nun selbst steht. Er sieht das unausweichliche Ende
der Feinde vor sich. Der hünenhafte Anführer entzieht sich durch

84
 
Annotationen