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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0090

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Die Grosse Galliergruppe

Gallicrkopjf
Kairo, Musee
tgyptien.
Um 275 v. Chr.

regender zu erscheinen, rieben sie ihre Haare mit Gips ein, und Gips
heisst auf griechisch titanos. Deshalb hat schon der alexandrinische
Dichter Kallimachos (ca. 305-240 v. Chr.) im Demeterhymnus die
Gallier mit den Titanen verglichen, und die Pergamener sollten ihm
darin folgen.

Von den vorgeschlagenen Deutungen des Gallierkopfes in Kairo
hängt die Datierung ab. Hans Laubscher nimmt an, der Kopf müsse
zu einem Denkmal gehören, das zur Erinnerung an einen 276 v. Chr.
von Ptolemaios II. erfolgreich niedergeschlagenen Aufstand galli-
scher Söldner errichtet wurde, die auf einer Nilinsel eingeschlossen
und dem Hungertod preisgegeben worden waren. Paolo Moreno
meint, es sei "nicht schwierig, den Kopf mit dem Anführer der gal-
lischen Soldtruppen zu identifizieren, die wesentlich zum siegrei-
chen Ausgang der Schlacht von Raphia 217 v. Chr. beigetragen ha-
ben". Es gibt aber - abgesehen von Genrebildern - nicht ein einziges
Porträt im ptolemäischen Ägypten, das jemand anderen darstellte
als den souveränen König oder die Königin, und man kann bei dem
an das Alte Ägypten anschliessenden Pharaonenkult der Ptolemäer
auch nichts anderes erwarten. Es spricht also mehr für die einen na-
menlosen Gegner voraussetzende Deutung von Laubscher, die man
akzeptieren darf, wenn eine Datierung des eindrucksvollen Kopfes
um 276 v. Chr. stilistisch verständlich ist.

An datierten Werken dieser Epoche sind vor allem die Bildnisse
des Demosthenes, des Epikur, des Zenon und des Philetairos zu nen-
nen. Allen diesen Werken ist gemeinsam, dass sie sehr charakteristi-
sche, aber von Natur in eine bestimmte Form gewachsene Köpfe zei-
gen. Ein dreieckig zulaufender wie der des Demosthenes, ein schma-
ler wie der des Epikur, ein massiger wie der des Philetairos oder ein
bugartig vorstossender wie der des Zenon wurden vom porträtie-
renden Künstler genau erfasst. Es ist das Ziel hellenistischen Kunst-
wollens, im Momentanen das Charakteristische zu treffen. Auch der
Kopf des Galliers wirkt, als sei er von Natur aus so gewachsen, nicht
vom Künstler verformt. Das bestätigt die von Laubscher vertretene
Frühdatierung des Kopfes in die Zeit bald nach dem Gallieraufstand
in Alexandria von 276 v. Chr. Trifft dies zu, so ist der Gallierkopf von
Gizeh eine der ganz wenigen alexandrinischen Genreskulpturen, die
fest datiert ist wie sonst meist Bildnisse, auf die man, wie das Fol-
gende zeigt, für die Erforschung der Stilgeschichte im übrigen ange-
wiesen ist. Dabei sind Plastiken, welche die Schönheit (und auch die
Hässlichkeit) des Realismus in allen Facetten zur Geltung bringen, in
der alexandrinischen Kunst vorherrschend, aber sie helfen bei der
Fragestellung dieses Buches kaum weiter, weil man weder die Auf-
traggeber noch die Namen der Schöpfer oder gar die Aussagen dazu
von zeitgenössischen Betrachtern kennt.

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