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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0094

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Damophon von Messene und die alexandrinische Kunst

Hier zeichnet sich eine Hoffnung ab. Eine der am besten erhalte-
nen Skulpturen dieses Kunstkreises ist der leider so gut wie unbe-
kannte Kolossalkopf einer Göttin in Pheneos, einer kleinen Ruinen-
stadt bei Goura auf der Peloponnes, 60 km westlich von Korinth.
Der Kopf wurde schon 1959 gefunden, spielte aber bisher keine ent-
scheidende Rolle in der Diskussion. Bedeutsam ist er nicht nur des-
halb, weil man den Namen seines Schöpfers, Attalos, Sohn des
Lachares, kennt und weil er der einzige ist, bei dem die Augen-
höhlen nicht wie bei den anderen Skulpturen dieses Stils leer sind,
sondern die aus Glas gebildeten Augen sind noch vorhanden und
schauen sehr lebendig drein; ja sogar die Wimpern aus Bronze sind
erhalten. Nicht weniger wichtig ist, dass man diesen Kopf sicher ins
letzte Viertel des dritten Jahrhunderts v. Chr. datieren kann, weil er
der ägyptischen Königin Arsinoe III. (221-210 v. Chr.) vollkommen
ähnlich sieht. Dass Damophon und seine Zeitgenossen von pto-
lemäisch-ägyptischer Kunst beeinflusst waren, hat man schon im-
Kolossalkopf der mer gesehen, und es wird auch durch den Hinweis des Pausanias (4,

Hygieia des Attalos, 32, 1) auf alexandrinische Werke in Messene und die dort gefunde-
Sonnes des Lacharis ne Signatur eines Bildhauers namens Demetrios, Sohnes des Apol-
Pheneos, Mouseion. lonios, aus Alexandria (SEG 23, 1968, 85-86 nr. 225) bestätigt. Aber
das wichtige, vielleicht entscheidende Argument der Übereinstim-
mung alexandrinischer Schöpfungen des letzten Viertels des dritten
Kolossalkopf eines Jahrhunderts mit dem Stil des Damophon wurde noch nicht in die

bärtigen Gottes ans Debatte geworfen.

Aigeira. Athen, Ägypten, besonders Alexandria, war nur bis zum Ende des drit-

Ethnikon Monseion. ten Jahrhunderts v. Chr. tonangebend in der griechischen Welt, und
Spätes 3. Jh. v. Chr. damals war die historische Lage auf der Peloponnes dergestalt, dass
der Auftrag an den Messenier Damophon zur Schaffung der gewal-
tigen Kultgruppe am ehesten verständlich wäre. 217 oder 213 v. Chr.
hatte man neben der gesetzgebenden Volksversammlung eine
handlungsfähige Bundesregierung des Achäischen Bundes in der
Hauptstadt Megalopolis eingerichtet, die das nahe gelegene Heilig-
tum von Lykosura zu betreuen hatte und sich bestätigen musste,
zum Beispiel, indem sie die alsbald weithin berühmte kolossale
Kultgruppe aufstellen Hess. Später war das Verhältnis des Achäi-
schen Bundes zu Messene, besonders nach der Strafexpedition ge-
gen die Stadt von 191 v. Chr., so tief zerrüttet, dass man schwerlich
einem Künstler aus dieser Stadt eine solche Chance gegeben hätte.
Er muss schon vorher für den Achäischen Bund tätig gewesen sein,
wenn er und seine Familie in Lykosura hoch geehrt wurden und er
dem Bund die genannte hohe Honorarsumme von 3546 Tetradrach-
men erlassen hat, einer Währung, die es nach 191 v. Chr. nicht mehr
gab.

Möglicherweise führen diese Überlegungen dazu, Damophon sei-
nen richtigen Platz in der Kunstgeschichte anzuweisen und eine
ganze Reihe von Kunstwerken dem dritten Jahrhundert v. Chr.

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