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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0096

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Damophon von Messene und die alexandrinische Kunst

kunstgeschichtliche Vergleich kann deshalb nur zwischen den
tatsächlich vergleichbaren Köpfen des Titanen Anytos und dem Se-
rapis von 217 auf der einen und den Giganten des Pergamonaltares
auf der anderen Seite vorgenommen werden.

Die Gruppe des Serapis mit seinen beiden Synnaoi, Ptolemaios IV.
und Arsinoe III., ist dem Stil der Kultgruppe von Lykosura durch-
aus verwandt. Die ovalen, grossflächigen Gesichter mit der typisch
alexandrinischen Weichheit der Epidermis, die in einer als Sfumato
bezeichneten Technik verfeinert ist, der Brauenschwung, die unge-
wöhnlich schmalen, scharfkantigen Lider, der schimmernde Blick
der Augen, die langen Nasen, der kleine, aber üppig geschwungene
Mund, das volle Kinn sind bei diesen Skulpturen sehr ähnlich. Auch
die lockere Behandlung der Haare spricht für Gleichzeitigkeit des
Stiles.

Vergleicht man auf der anderen Seite den Kopf des Anytos, der
bei einer männlichen bärtigen Figur die gleichen stilistischen Eigen-
heiten zeigt wie die Frauenfiguren von Lykosura, mit den bärtigen
Giganten des Pergamonaltares, so erkennt man einen grundlegen-
den Stilwandel. Welchen der Gigantenköpfe des Grossen Frieses
man auch immer heranzieht, so sieht man doch sofort, dass der
Kopf des Anytos trotz der über der Stirn aufsteigenden und über-
einanderfallenden Haare und des strähnigen Bartes insgesamt viel
ruhiger ist als die zerwühlten Titanen mit ihren tiefliegenden Au-
gen, den starken Brauenwülsten, den zerfurchten und von Muskel-
kontraktionen vorgewölbten Stirnen. Gewiss sind die Giganten in
einen mörderischen Kampf verwickelt, während Anytos als Wäch-
ter ruhig bei den thronenden Göttinnen steht. Es geht hier aber nicht
um inhaltliche Verschiedenheiten, sondern um einen anderen Stil.
Anytos steht in der Tradition klassischer Vatergottheiten, von denen
ihn vor allem der wildere Haarkranz und der lange wellige Bart un-
terscheiden. Ihm fehlt jedoch jede expressive Steigerung und Ver-
schiebung der Gesichtszüge, wie sie für den Pergamonmeister cha-
rakteristisch sind. Diese Verformungen des natürlichen Gesichts-
schnittes finden sich auch bei einem von der Befindlichkeit her ru-
higen Kopf wie dem des Asklepios in der Kopie von Syrakus (S.
161). Stellt man die beiden Köpfe des Anytos und des Asklepios
zum Stilvergleich nebeneinander, dann sieht man, dass Phyroma-
chos von Formen ausgeht, wie sie der Anytos bietet, diese aber
durch gewollte Steigerung der Oberflächenbewegung in eine ba-
rocke Form zwingt. Es ist hingegen ganz unwahrscheinlich, dass der
Kopf des Anytos durch klassizistische Beruhigung der Formen des
Asklepioskopfes entstehen könnte. Diese Formen würden dadurch
entleert, wie man es beim leider nicht fest datierten Kolossalkopf
des Asklepios 'Blacas' im Britischen Museum und beim spätperga-
menischen Kopf des Herakles im Museo Chiaramonti sieht, der in
den Jahren 88-85 v. Chr. entstanden sein muss. Der Anytos ist auf ei-

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