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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0098

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Thoinias: Skirtos

Inschriftbasis des
Skirtos des Thoinias
Pergamon, Via Tecta.
201 v. Chr.

Tanzender Satyr
Neapel, Mus. Arch.
Späthellenistisch

Berliner "Betenden Knaben" verdanken, dürfte aber aus chronolo-
gischen Gründen eher ein Enkel des bekannten Sikyoniers gewesen
sein. Thoinias war so bedeutend, dass König Philipp V. von Make-
donien sich gegen 220 v. Chr. von ihm in Sikyon porträtieren Hess.
Eine Vorstellung von diesem Werk und anderen durch Inschriften
bezeugten Bildnisstatuen in Oropos, Sikyon und Delos kann man
leider nicht gewinnen, und es ist auch die Frage, ob man eine allge-
mein überzeugende Aussage über die Bronzestatue des Skirtos in
Pergamon machen kann.

An der Via tecta, die zum Asklepieion in der Unterstadt von Per-
gamon führt, wurde eine Stauenbasis mit einer Inschrift gefunden,
die auf jeden Fall von historischem und kunstgeschichtlichem Wert
ist. Die Inschrift nennt als Stifter den pergamenischen Admiral
Dionysodoros, der unter Attalos I. (241-197 v. Chr.) im Jahre 201 im
Verein mit der rhodischen Flotte die Seeschlacht von Chios gewann
und damit das Expansionsstreben Philipps V. von Makedonien in
der Ägäis beendete. Vier Jahre später nahm Dionysodoros an den
Operationen teil, die zum Sieg der Römer unter Titus Quinctius Fla-
mininus und der mit ihnen verbündetenen Pergamener bei Kynos-
kephalai Ende Mai oder Anfang Juni 197 v. Chr. führten. Attalos I.
hatte bei der Vorbereitung der Schlacht in Theben der Schlag getrof-
fen, und er starb bald darauf. Da die Statue des Skirtos dem Diony-
sos und dem König Attalos I. gewidmet war, muss dieser noch ge-
lebt haben, die Stiftung des Dionysodoros dürfte also für den Sieg
von 201 v. Chr. erfolgt sein.

Aufgrund der Einlassungsspuren der Füsse auf der Basis in Perga-
mon wurde vorgeschlagen, in den untereinander verwandten Statuen
eines tanzenden Satyrs aus dem Schiffsfund von Antikythera im Athe-
ner Nationalmuseum und in dem berühmten Tanzenden Satyrn aus
dem danach benannten Haus des Fauns in Pompeji, jetzt im National-
museum von Neapel, einen Nachklang der Schöpfung des Thoinias
zu erkennen. In der Tat kann man die Stellung der voreinander auf die
Fussspitzen gestellten Füsse dieser Statuen mit den Einlassungsspu-
ren auf der Basis zur Deckung bringen, aber ein einheitlicher Statuen-
typus lässt sich aus dieser Überlieferung nicht herausschälen.

Gleichwohl bleibt eines bemerkenswert: Die besondere Fussstel-
lung auf der Basis des Skirtos in Pergamon bezeugt eine gegen 200
zu datierende Statue, die in der Torsion noch deutlich über den sich
selbst tötenden Gallierhäuptling der grossen Attalischen Gruppe
hinausgeht. Torsion ist von nun an ein besonders beliebtes Mittel,
den Standbildern eine gesteigerte innere Bewegung mitzuteilen.
Torsion ist ein typisch barockes Stilelement, dessen Entwicklung
man nirgendwo besser verfolgen kann als in der pergamenischen
Kunst und das deshalb auch unter den Begriff aisanisch subsumiert
werden darf.
 
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