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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0105

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Phyromachos: Das Bildnis des Antisthenes

geschlagenen Beine sieht, das auch die zu Beginn des dritten Jah- Seite 100:
hunderte entstandene Tyche des Eutychides bot, und vor allem, Antisthenes
wenn man das einzigartige Motiv der Hände ins Auge fasst. Der Vergamon, Müzest.
Unterkörper des Sitzenden stösst mit dem genau in der Mitte zwi- "' 11 ,r'
sehen den schwingenden Beinen des Sitzes aufgestellten Fuss in sei-
nem Fellschuh und mit dem übergeschlagenen Knie keilförmig ge-
gen den Betrachter vor. Der Philosoph schiebt die rechte Schulter
nach vorn und hebt den rechten Ellenbogen an, so dass der Unter-
arm nicht auf dem Oberschenkel ruht, sondern der ganze Arm frei
gehalten wird. Auch die Hand mit der Schriftrolle liegt nicht im
Schoss, nur der vordere Teil der Rolle berührt die Falte am linken
Oberschenkel. Der Arm ist so gespannt, dass man den Eindruck hat,
der Philosoph wolle mit der Rolle in die Luft fahren und sie vor sei-
nem Gegenüber, den er anstarrt, nachdrücklich schütteln, so als
könnten die Gedanken daraus überspringen. Doch es kommt zu
dieser als Drohgebärde aufzufassenden Bewegung nicht, weil der
Denker seinen Arm mit einem starken Griff der anderen Hand fest-
hält. Da der linke Arm durch eine Gewandschlinge am Handgelenk
wie gefesselt wirkt, ist das die rechte Hand aufhaltende Kraftsystem Antisthenes
so stark, dass es zum befürchteten Hochschnellen des Armes nicht Sitzstatuette
kommen kann. Der Philosoph war sich offenbar der Konvention be- Neapel, Mus. Naz.
wusst, die es den Rednern klassischer Zeit verbot, zur Unterstrei- Um 180 v. Chr.
chung ihrer Argumente die Hände zu be-
nutzen. Das heftige Gebärdenspiel eines
Demosthenes bei seinen Reden galt als vul-
gär und affektiert. Vornehme Redner wie
Aischines, den man von einer Statue in
Neapel kennt, legten ihren rechten Arm in
die Schlinge des Mantels und hüllten auch
ihren linken, den sie auf den Rücken legten,
darin ein, damit sie sich nicht zu unkontrol-
lierten Bewegungen hinreissen Hessen. Ais-
chines (Tim. 25) erklärte es als Selbstbeherr-
schung und moralisch richtig, eine freie Be-
wegung der Arme zu vermeiden, und die
Statue des Demosthenes mit ihren ver-
schränkten Händen "nimmt den Vorwurf
heftiger Gebärden auf, um ihn zu widerle-
gen". Man erinnere sich daran, welchen
Wert die Bildhauer des dritten Jahrhunderts
überhaupt auf das in Gegensatz oder in Ein-
klang mit dem Denkerhaupt gestaltete Ge- I
bärdenspiel der Hände gelegt hatten. Dieses 1
Problem ist auch für den Schöpfer des Mo-
tivs der Arme und Hände wichtig, das die
Tonstatuette zeigt. Soll man den pompejani-

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