Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0116
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nikeratos: Das Bildnis des Königs Eumenes, die
Asklepios-Hygiea-Gruppe und die Palladionraubgruppe

Nikeratos ist inschriftlich auch als Schöpfer von weiteren für das
Königshaus von Pergamon ausgeführten Werken bezeugt.

Er war der ältere Weggefährte des berühmtesten pergamenischen
Hofkünstlers, Phyromachos von Athen, mit dem zusammen er
mehrfach Gemeinschaftsarbeiten signiert hat. Wenn er, was wegen
der Stilübereinstimmung wahrscheinlich ist, der Schöpfer der Pal-
ladionraubgruppe war, so muss das nach allem, was über sein Le-
ben bekannt ist, noch in den neunziger Jahren des 2. Jahrhunderts
v. Chr. gewesen sein. Doch wo stand diese Gruppe? ■

Eine Palladionraubgruppe, in der Diomedes dem regierenden Kö-
nig Eumenes II. gleicht, hätte in Pergamon einen besonderen Sinn.
Im Namen der Stadt lebt nämlich der Name von Ilion fort, das in der
Ilias nicht weniger als sechs Mal auch kurz Pergamos, die Burg, ge-
nannt wird. Flüchtlinge aus Troja hatten der Stadt, die ursprünglich
Teuthrania hiess, den bleibenden Namen Pergamon gegeben. Auch
Pergamon führte seine Geschichte wie so viele andere Städte auf
Troja zurück und musste deshalb auch sein eigenes Palladion haben,
das in diesem Fall ein Diomedes raubt, der dem regierenden König
ähnlich sieht. Dieser wird dadurch zum Garanten der Sicherheit der
Stadt. Die Pergamener prägten deshalb auch ein dem Palladion der
Gruppe sehr ähnliches Palladion mit archaistischem Mäntelchen,
Speer und Schild als Stadtgöttin auf ihre Münzen.

Mit dieser Gruppe des von Odysseus und Diomedes ausgeführ-
ten Palladionraubes lernen wir eine bedeutende plastische Gruppe
als pergamenisches Kunstwerk vom Anfang des zweiten Jahrhun-
derts v. Chr kennen, das zusammen mit dem Bildnis des Königs Eu-
menes und der Asklepios-Hygieia-Gruppe des Nikeratos eine
Lücke in der Kunstgeschichte füllen kann.

Vor allem lehrt es einen bestimmten Ausgangspunkt des jüngeren
Kollegen des Nikeratos, Phyromachos, kennen, der das Bildnis des
Antisthenes und den kolossalen Asklepios geschaffen hat, der im
Kopf von Syrakus überliefert ist. Dieser schon im Altertum als der
grösste hellenistische Künstler angesehene Bronzegiesser und Maler
hat schliesslich noch am sogenannten kleinen Attalischen Weihge-
schenk auf der Akropolis von Athen in der zweiten Hälfte der sech-
ziger Jahre mitgearbeitet, dürfte den älteren Nikeratos also um dreis-
sig Jahre überlebt haben. Phyromachos ist nicht nur der bedeutend-
ste Künstler hellenistischer Zeit, sondern zählte, wie man aus dem
bekannten Berliner Papyrus von Abusir weiss, zu den sieben
berühmtesten Bildhauern des ganzen Altertums. Man kann ihn mit
Michelangelo vergleichen. Zu erfahren, wie die Kunst seines älteren
Werkstattgenossen, vielleicht sogar Lehrers Nikeratos aussah, mit
der er sich aueinanderzusetzen hatte, ist ein besonderer kunstge-
schichtlicher Gewinn. Nikeratos, Sohn des Euktemon, stammte aus
Athen, und auch Phyromachos bezeichnet sich als Athener, nennt
aber den Namen seines Vaters nicht. Sollte dieser der durch eine rho-

112
 
Annotationen