Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0126

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Phyromachos: Der Asklepios von Pergamon, der Gigantenfries

des Pergamonaltares und der Gigant des Attalischen Weihgeschenks

Pergamon,
Grosser Altar
Modell in Berlin,
Staall. Mus., Antikens.
166-156 v. Chr.

festzustellen, dass die Bedeutung des vierten Jahrhunderts v. Chr.
für die Entwicklung der Bildniskunst nicht mehr anschaulich wür-
de, wenn man das Antisthenesbildnis daraus entfernte. Ist das nicht
ein Zirkelschluss, und ist es methodisch nicht richtiger, die Ent-
wicklung der Bildniskunst bei den Griechen als einen historischen
Prozess aufzufassen, der nicht schon im vierten Jahrhundert v. Chr.,
sondern erst im Werk des Phyromachos kulminiert?

Auftraggeber und Zeitpunkt der Schöpfung sind allerdings nicht
genau bekannt. In Frage kommen als Aufstellungsort des Originals
ebenso Athen, wo Antisthenes von der Mitte des fünften Jahrhun-
derts bis gegen 365 v. Chr. gelebt und gewirkt hatte, wie auch die Bi-
bliothek von Pergamon, wo eine besonders gute Kopie des Philo-
sosphenkopfes gefunden wurde. Phyromachos hat nachweislich so-
wohl in Athen wie in Pergamon gearbeitet. Was die Zeit angeht, so
kann man die Schöpfung des Antisthenes durch eine stilistische Rei-
henbildung vor die um 175 v. Chr. datierte Entstehung des kolossa-
len Götterbildes des Asklepios ansetzen, der seinerseits stilistisch
weniger fortgeschritten ist als das letzte von Phyromachos bekann-
te Werk, der Gigant des attalischen Weihgeschenks von der Akro-
polis zu Athen aus der Zeit nach dem 166 bis 156 v. Chr. entstande-
nen Pergamonaltar.

27 a. Der Pergamonaltar: Ostfries

Der Pergamonaltar ist das bedeutendste Werk hellenistischer Pla-
stik. Das erkannte schon Jacob Burckhardt, als er die Fragmente
1882 in Berlin sah. Er schrieb an seinen Freund Robert Grüninger
den prägnanten, leicht ironischen Satz: "Wer die pergamenischen
Sachen nicht gesehen hat, ist ein armer Wurm." Dieser ebenso be-
wundernde wie drastische Satz kann etwas von der Ambivalenz
aufzeigen, mit der das gewaltige Getöse der Gigantenschlacht seit
jeher betrachtet wurde. In einer für die Schönheiten des Barockstils
aufgeschlossenen Zeit wie der unseren gewinnt der Pergamonaltar
zusehends an Interesse und scheint in der Gunst des Publikums an
die erste Stelle unter den Hauptwerken antiker Kunst zu rücken.
Dabei ist seine Datierung in neuester Zeit heftig umstritten, und
seine Bedeutung ist noch nicht völlig geklärt. Er soll deshalb
zunächst möglichst genau beschrieben werden.

Wenn man den von einer Mauer eingefassten heiligen Bezirk des
Grossen Altares der Athena von Pergamon betrat, sah man vor sich
die Rückseite des Bauwerks. Sie ist mit dem längsten Fries, dem
Ostfries, geschmückt. Da das Propylon nicht in der Achse errichtet,
sondern nach rechts verschoben ist, fällt der Blick zuerst auf die
grossen Götter Zeus und Athena, welche im rechten Drittel des Frie-
ses die Giganten zu Paaren treiben. Der Blick wird aber sofort nach

122
 
Annotationen