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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0133

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Der Pergamonaltar: Ostfries

Stelle ins Blickfeld gesetzte Schild ist für die Deutung des ganzen
Monumentes von grosser, zumindest mitentscheidender Wichtig-
keit. Es ist sehr wirkungssvoll, wie dieser Schild vor einer zu Boden
gestreckten Gestalt dahinrollt und niemandem mehr zum Schutz
dient. Der unter dem Gespann aufs Gesicht geworfene Gigant dürf-
te der Träger des Schildes gewesen sein. Es war dem Schöpfer der
Komposition aber offenbar weniger wichtig, einen logischen Ablauf
darzustellen, etwa wie der Schild dem der Länge nach Hinschla-
genden vom Arm gerissen wurde und nun vor ihm herrollt, als viel-
mehr diesen Schild als Zeichen des Unterworfenseins vor Augen zu
führen. Dieser Schild in der Mitte des ganzen Frieses soll eine Bot-
schaft vermitteln, und diese wäre vielleicht nicht so deutlich gewor-
den, wenn der Schild nicht eigentümlich isoliert wäre. Das Vierge-
spann Heras und der von ihm überrollte, ins Gras beissende Gigant
stammen aus der Welt des Mythos, der Schild hingegen ist ein ak-
tuelles, historisches Hoheitszeichen, das beim zeitgenössischen Be-
trachter eine deutlicher umschriebene Assoziation auslöste als das
mythische Geschehen, das dadurch eine andere, metaphorische
Qualität bekommt. Deshalb musste dieser Schild in nahezu künstli-
cher, die Realität des Kampfgeschehens durchbrechender Weise her-
aus- und ins Bewusstsein des Betrachters gehoben werden. Eine
wichtige Rolle spielt dabei das Gespann von vier geflügelten Pfer-
den, unter deren Hufen der Platz für den Rundschild mit dem ma-
kedonischen Hoheitszeichen ausgespart ist. Die Fülle der bewegten,
natürlichen, durch formale Mittel gesteigerten Erscheinungen und
Bewegungen kontrastiert zu der klaren, geometrischen Kreisform
des Schildes. Das wäre sicher noch viel deutlicher, wenn die Platten
mit dem Viergespann Heras und der den Wagen lenkenden Iris voll-
ständiger erhalten wären.

Dass Hera wie Athena von einer Flügelgestalt begleitet wurde, be-
zeugt nur eine einzige erhaltene Schwinge, die allerdings grösser
und weiter ausgebreitet ist als alle anderen der zahlreichen Flügel
des grossen Frieses. Von dieser, Hera begleitenden Götterbotin bis
zur Nike, die von der anderen Seite zu Athena hinfliegt, ist ein über-
greifendes Szenarium der Schlacht der Götter und Giganten zu er-

kennen, in dem die Trias der höchsten Götter, Zeus, Hera und Athe- Hügel der Nike
na, gemeinsam mit Herakles das Geschehen bestimmen. Von der
Göttermutter blieb nur der Oberkörper erhalten. Was die vier Pfer-
de angeht, so ist ihre Position gesichert. Obwohl das Friesrelief ei-
gentlich nur eine flächenparallele Bewegung darzustellen erlaubt,
sind die Pferde diagonal hintereinander gestaffelt. Von den beiden
linken Pferden sind Kopf und Brust erhalten, vom dritten, dem
rechten Stangenpferd, sieht man nur noch einen ausgreifenden Vor-
derhuf, das vierte, also das rechte Beipferd, von dem Hals, Brust
und der Ansatz des rechten Vorderhufs erhalten sind, zeigt deutlich
eine besondere Eigenart dieser Pferde, die man auch beim ersten,

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