Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0135

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Pergamonaltar: Ostfries

Flanke liegend, noch halb auf, aber sein Kopf sinkt schon nieder. Mit
der Rechten, die jetzt mitsamt dem ganzen Arm fehlt, suchte er sich
den Pfeil aus dem Auge ziehen, den Apollo auf ihn abgeschossen
hat. Es ist Ephialtes. Mit seinem Bruder Otos wollte er, wie schon
Homer (Od. 11, 305-320) berichtet, den Berg Ossa auf den Olymp
türmen und auf diesen noch den Pelion, um den Himmel zu erstei-
gen, wird aber mit seinem Bruder von Apollo getötet. Von Otos sieht
man rechts von Ephialtes noch seine Schlangenbeine sich ringeln.
Ungewiss, ja unwahrscheinlich ist, dass zu diesem der isoliert ge-
fundene Kopf gehört habe, der als Musterbeispiel für den Stil des
Ostfriesmeisters gelten kann. Otos und Ephialtes wurden getötet,
bevor ihnen der Bart wuchs. Der Kopf aber ist bärtig. Er ist dem in
Kopien überlieferten Kopf des ebenfalls bärtigen Asklepios von
Phyromachos nächstverwandt.

Die beiden folgenden Platten links zeigen Leto, die den Feuer-
brand ihrer fast waagrecht gehaltenen Fackel einem rücklings hin-
stürzenden Giganten ins Gesicht stösst. Im Sturze schlagen dem Gi-
gante die Beine hoch. Der rechte Oberschenkel ragt fast senkrecht
nach oben, die Ferse des gebeugten Beines hat über dem linken Knie
der heftig voranstürmenden Göttin eine Bruchstelle zurückgelas-
sen. Das rechte Knie des Giganten muss also in einem spitzen Win-
kel abgeknickt gewesen sein, während der ausgestreckte linke Fuss
gegen das rechte Knie der Göttin tritt. Nur wenn man sich das
Strampeln der Beine klarmacht, erfasst man, wie der Gigant, von

der hoch aufschlagenden Lohe der Fackel ins Gesicht getroffen, im Leto und der
Fluge hinpurzelt und den Sturz mit dem linken Arm abzufangen Vogdgigani
versucht. Dieser Arm endet nicht in einer Hand, sondern in einer
Vogelkralle. Die rechte Kralle hielt eine Keule. Diese schwingt der
Gigant aber nicht mehr gegen die im Sturmschritt angreifende Göt-
tin, sondern das dicke und schwere runde Ende der Keule schlug im
Sturz zurück gegen die Brust des rücklings Hinpurzelnden und
macht dessen Motiv noch verworrener. Es ist eine erstaunlich grau-
same Art der Vernichtung eines geradezu hilflos gewordenen Geg-
ners, der, von der Lohe, die ihm ins Gesicht schlägt, geblendet und
verbrannt, das Gleichgewicht verliert und mit flatternden Flügeln
nach hinten stürzt. Die Nutzlosigkeit dieser Flügel macht man sich
bewusst, wenn man sie in Gedanken, unter Beachtung des grossen
vierkantigen Puntellos, der den vorderen Flügel stützt, in voller
Grösse ergänzt. Die volutenartig gerundeten Enden der Flügel ra-
gen hoch über das Haupt des Giganten und machen den rotieren-
den Sturz des Geblendeten noch augenfälliger. Bei dem verwickel-
ten Motiv dieses Vogelgiganten bedauert man noch mehr als an an-
deren Stellen, dass die rechten Extremitäten der Figur und der linke
Flügel nicht vollständiger erhalten sind und dass auch der vordere
Teil der Fackel, deren Flamme ihm ins Gesicht schlägt, verloren ist.
Die Wucht des Stosses ist nicht mehr unmittelbar, sondern nur an

131
 
Annotationen