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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0139
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Der Pergamonaltar: Ostfries

auf, die das steigende Gespann des Ares auf der anderen Seite aus-
löst, er wird durch diese Welle aber auch erschüttert. Die Bewe-
gungen im Friese wogen hin und her, man hat aber, wenn man zum
rechten Ende blickt, den Eindruck, dass der Impetus des hier dar-
gestellten Kampfwagens durch alle gegeneinander anbrandenden
Wellen des Kampfgeschehens hindurch bis auf den riesigen Körper
des Klytios am linken Rande wirkt und hier in dem für die Dar-
stellung gewählten Augenblick für weniger als eine Sekunde ange-
halten und versteinert wird.

Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt noch einmal den
ganzen Ostfries und versucht ihn von rechts nach links abzulesen,
dann begreift man, warum die Achsen der Figuren im rechten Drit-
tel sich stärker nach rechts und links neigen und warum die Kämp-
fer im linken Drittel dichter zusammengedrängt und weniger
schräg geneigt sind. Die Kraftwellen, welche der Anprall des Ares-
gespanns auslöste, werden hier enger und kürzer und brechen sich
für einen Augenblick an der Masse des seinen Körper fast senkrecht
reckenden Klytios. Der Ostfries weist also nicht eine Aneinanderrei-
hung von Kampfgruppen auf, die nur locker nebeneinander stehen,
sondern er zeigt eine durchgreifende Kompositionsabsicht, ohne je-
doch den einzelnen Szenen ihre Eigenständigkeit zu nehmen. Es ist
aber bedenkenswert, dass man diesen Fries vom Eingangstor des
Bezirkes aus vollständig überblicken kann, im Gegensatz zum
Nord- und Südfries, an denen man wegen des geringen Abstands
zur Temenosmauer von links nach rechts beziehungsweise von
rechts nach links entlangschreiten muss, wenn man sie fortlaufend
überschauen will.

Bei der Betrachtung des Ostfrieses bemerkte man sofort die Beto-
nung der Mitte durch das leider nur fragmentarisch erhaltene Vier-
gespann, durch das der Blick zuerst nach rechts gelenkt wird. Man
erfasst auch schon nach kurzem Betrachten die Unterschiedlichkeit
der beiden äusseren Drittel. Es handelt sich offensichtlich um be-
wusst eingesetzte Kompositionsmittel.

Solche absichtsvollen Kompositionsmittel begegnen auch bei der
Betrachtung der kurzen Friesstücke an den Fronten der Risaliten
rechts und links der Freitreppe auf der Westseite. Der rechte ist
rechtsläufig, der linke linksläufig komponiert. Bevor man diese Ri-
saliten erreicht, muss man im Norden oder Süden an den beiden
seitlichen Langfriesen entlangschreiten. Die Museumsaufstellung
bietet hier ein Problem, denn die Friese sind jetzt nicht mehr auf der
Aussen-, sondern der Innenseite eines rechtwinkligen Gehäuses an-
gebracht. Man muss sich die Friese in Gedanken um 180° nach aus-
sen klappen, so dass zum Beispiel die Aphrodite des Nordfrieses
Rücken an Rücken mit Ares zu stehen kommt und nicht neben ihn.
Der Kriegsgott und die Liebesgöttin standen nicht in einem sie ver-
bindenden Winkel, sondern an einer Kante.

Klytios

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