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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0171

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Neue Entdeckungen zum Percamonaltar

Beginn des zweiten Drittels des Jahrhunderts, lässt ein Problem her-
vortreten, das bislang verdeckt war. Bisher galt nämlich der Perga-
monaltar selbst als das Hauptwerk der Kunst im ersten Viertel des
zweiten Jahrhunderts v. Chr. Nachdem man ihn nun eine halbe Ge-
neration später ansetzen muss, entsteht eine Lücke, die nicht ohne
weiteres gefüllt werden kann, in der sich aber genau das ereignet
haben muss, was man aus kunstgeschichtlichen Gründen erwarten
darf, nämlich die Entwicklung des Stiles, der im Pergamonaltar in
voller Entfaltung vor uns steht.

29. Die Skyllagruppe vom Typus

Rhodos-Sperlonga-Konstantinopel

Ein grosses, neu bekannt gewordenes Kunstwerk, das die Lücke am
besten füllen kann, die durch die zeitliche Verschiebung des Perga-
monaltares um eine halbe Generation von etwa 180 nach 165 v. Chr.
entsteht, ist die in den letzten Jahren mit Unterstützung der Fritz
Thyssen Stiftung rekonstruierte Skyllagruppe vom Typus Sperlonga-
Konstantinopel. Die Erforschung dieses Bildwerks, das sich nach
Vollendung der Rekonstruktion als epochales Kunstwerk erweisen
sollte, begann erst ein Jahrzehnt nach der im September 1957 erfolg-
ten Auffindung der Fragmente, und erst dreissig Jahre später konnte
ein zeichnerischer Vorschlag ihres ursprünglichen Aussehens ge-
macht werden. Die plastische Wiederherstellung nahm ein weiteres
Jahrzehnt in Anspruch und wurde erst im Januar 1996 vollendet. Im
Februar 1996 wurde sie in der Odysseus-Ausstellung in Rom dem Pu-
blikum vorgestellt und erhielt ihren endgültigen Aufstellungsort im
September 1996 im Museo della Civiltä Romana in Rom. Vom unte-
ren Teil der Gruppe waren ungefähr 90% in zahllosen Fragmenten
vorhanden, die aber Bruch auf Bruch aneinandergefügt werden
konnten. Auf diese Weise Hessen sich die Bewegungsmotive aller Fi-
guren und aller Teile der Skylla sichern, weil so gut wie alle Gelenk-
stellen vorhanden sind. Im Grunde mussten nur Lücken in den Kör-
pern ausgefüllt werden. Nur der völlig zerstörte Oberkörper Skyllas
musste nach einer verkleinerten Replik ergänzt werden, die im Stein-
bruch von Afyon gefunden wurde, woher auch der Marmorblock der
Skyllagruppe stammt. Die Form der wiederhergestellten Gruppe ist
deshalb weitestgehend gesichert, und sie lehrt ein in jeder Hinsicht
erstaunliches hellenistisches Meisterwerk kennen, von dessen Exi-
stenz zahlreiche Nachahmungen in der Kleinkunst und die Beschrei-
bungen mehrerer Betrachter Zeugnis ablegen. Das Bronzeoriginal der
Gruppe stand seit der Spätantike auf der Spina des Hippodroms von
Konstantinopel. Im Lateinischen Kreuzzug wurde es 1204/5 zerstört,
eingeschmolzen, und die Bronze wurde zu Münzen geschlagen. Er-
halten wenigstens in Fragmenten blieb nur die Marmorkopie, die

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