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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0172

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Die Skyllagruppe vom Typus Rhodos-Sperlonga-Konstantinopel

Romana.

Um 180 v. Chr.

Seite 169-173: Kaiser Tiberius zwischen 4 und 26 n. Chr. für seine Grottenvilla in

Rekonstruktion der Sperlonga von denselben Kopisten Athanadoros, Hagesandros und
Skyllagruppe, Rom, Polydoros aus Rhodos hatte anfertigen lassen, die auch die vatikani-
sche Kopie der Laokoongruppe aus dem Marmor gehauen haben.

Der unbekannte Schöpfer der Gruppe wählte für die Darstellung
einen einzigen wichtigen Augenblick, welcher der Einbildungskraft
freies Spiel lässt. Um dem Strudel der Charybdis zu entgehen, musste
Odysseus dicht am Felsen Skyllas vorbeifahren, obwohl er wusste,
dass diese ihm sechs Gefährten rauben wird. Das erschien ihm trotz
allem weniger furchtbar, als das ganze Schiff zu verlieren. Von dem
Schiff, das schon fast am Skyllafelsen vorbeigefahren ist, wurde als
pars pro toto nur das Heck mit dem hochgebogenen Heckzierat, dem
Aphlaston, dargestellt.

Während das Schiff in rascher Fahrt am Skyllafelsen vorbeiglitt,
hatte Skylla das Steuerruder an Backbord aus seiner Halterung ge-
rissen und schwingt es über dem Haupt. Skylla zeigt den Oberkör-
per eines jungen Mädchens, den wir dank der Statuettenreplik von
Afyon zu kennen glauben, aber sie ist eine Riesin geworden, und ih-
re Beine sind durch die Zauberkünste Kirkes in Fischleiber mit den
Kriechschuppen von Reptilien, einem gewellten Kamm und fächer-
förmigen Schwanzflossen verwandelt. Vom vorbeifahrenden Schiff
hat das Monstrum drei Gefährten gerissen und den vier Hunden,
die aus ihrem Unterleib hervorwachsen, zum Frass hingeworfen; ei-
nen letzten, den Steuermann, hat sie mit der Rechten am Schopf er-
griffen, während ihre Schwänze zwei weitere Gefährten umschlun-
gen haben und den Hunden, die aus ihren Glutäen herauswachsen,
zum Vertilgen hinhalten.

An der genau erfassten Situation, in der die Unglücklichen sich in
dem vom Künstler bestimmten Augenblick befinden, kann man den
ganzen Vorgang in seiner zeitlichen Abfolge genau ablesen.

Den ersten der Männer, den Skylla mit der rechten Hand zu fas-
sen bekam, hat sie dem Hund an ihrer linken Flanke hingeworfen.
Der Hund hat den Mann mit den Lefzen von rechts am Hals gepackt
und schlägt ihm die Pranken mit den langen Reissnägeln in den
Rücken und in die linke Halsgrube. Mit unerhörter Kraft zieht der
Hund den strampelnden Mann aus dem Wasser in die Höhe und
schüttelt ihn, um ihm den Hals zu brechen. Die Beine fliegen ihm
hin und her, während er sich in seiner Verzweiflung an der rechten
Pranke des Hundes festklammert. Den anderen Arm streckt er in
die Höhe, als suche er bei Odysseus Hilfe. Homer (Od. 12, 258f.) hat-
te Odysseus sagen lassen, dass der Anblick seiner von Skylla ge-
raubten Gefährten das Schrecklichste war, was er auf seiner Irrfahrt
mitansehen musste. Obwohl Kirke ihm erklärt hatte, gegen Skylla
gäbe es keine Waffen, hat Odysseus einen Speer gegen sie geschleu-
dert, doch den Gefährten kann er nicht helfen.
Den zweiten hat Skylla in diesem Augenblick dem Hund auf der

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