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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0178

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Die Skyllagruppe vom Typus Rhodos-Sperlonga-Konstantinopel

der Bemühungen griechischer Plastik um die Wiedergabe der be-
lebten Natur dar. Dabei ist besonders interessant, dass dies an einem
Sujet verwirklicht wurde, das in dieser Form in der Natur gar nicht
vorkommt. Der Meister muss vielmehr mit der natürlichen Beweg-
lichkeit der Körper, mit der Mechanik von Gliedern, Gelenken, Seh-
nen und Muskeln so intim vertraut gewesen sein, dass er jede belie-
bige Bewegung im Raum mit völliger Natürlichkeit auszugestalten
in der Lage war. Er hat dabei, ohne dies theoretisch begründen zu
wollen, das Gravitationsgesetz beachtet, das ebenfalls in Rhodos,
und etwa zur gleichen Zeit, aber doch wohl erst nach Schaffung der
Skyllagruppe, der grosse Astronom Hipparchos von Nikäa als erster
beschrieben und das, nach den Bemühungen Buridans im 13. Jahr-
hundert, erst Isaak Newton um 1680 in London endgültig aufge-
stellt hat.

Die Skyllagruppe muss um 180 v. Chr. in Rhodos im Auftrag der
Republik als Staatsdenkmal für die Gefallenen im Krieg gegen die
Piraten aufgestellt worden sein. Durch Palaiphatos' Schulbuch, 20
über die rationalistische Interpretation unglaubwürdiger Mythen
tepackter Gefährte weiss man, dass der Skylla-Mythos das verbreitete Phänomen der
des Odysseus Piraterie versinnbildlichen sollte. In der Zeit zwischen dem zweiten

und dem dritten Makedonischen Krieg, also zwischen 189 und 168
v. Chr., hatten die Römer Rhodos die Aufgabe übertragen, das östli-
che Mittelmeerbecken von Piraten freizuhalten, und die rhodische
Khodische Kriegsmarine hatte sich dieser Aufgabe mit Erfolg, aber auch mit

Trihemiolia Verlusten entledigt.

Relief in Lindas Odysseus erscheint in der Skyllagruppe auf einer rhodischen Tri-

c r.>NV ". 1 hemiolia, einem zur Piratenjagd eingesetzten Schnellruderer, dessen
Form auch von dem berühmten Relief des Hagesandros in Lindos
auf Rhodos vom .Anfang des zweiten Jahrhunderts v. Chr. bekannt
ist. Die genaue Übereinstimmung des Schiffstypus im Relief und in
der zweihundert Jahre später, als es diesen Schiffstyp nicht mehr
IS gab, in Sperlonga kopierten Gruppe bestätigt Datierung und Lokali-
sierung des Bronzeoriginals, das später, wahrscheinlich im 6. Jahr-
hundert n. Chr., auf dem Hippodrom von Konstantinopel aufgestellt
wurde und im Lateinischen Kreuzzug 1204/1205 zugrunde ging.

Vom Hund

30. Die Skyllagruppe von Rhodos

als Vorläufer des Grossen Altares von Pergamon

Die Wiedergewinnung dieses Kunstwerkes, das man wegen des hier
erreichten Kulminationspunktes in der Stilentwicklung epochal nen-
nen muss, ist nun besonders wichtig für das Verständnis der kunst-
geschichtlichen Vorgänge, die zum Pergamonaltar hinführten. Man
kann nicht übersehen, dass der Pergamonaltar sich in vielen Punk-
ten unmittelbar mit der Skyllagruppe von Rhodos auseinandersetzt.

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