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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0200

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Apollonios und Tauriskos von Tralleis: Die Dirkegruppe

Relief auf dem Panzer
der Statue in Naxos
40 v. Chr.

Kopf des Farnesischen
Stieres um 160 v. Chr.
und in claudischem
Relief um 50 n. Chr.
Rom, Villa Medici

getreten wie beim Pergamonaltar, wenn dort auch in einer ei-
gentümlichen Ästhetisierung des Grässlichen. In der Dirkegruppe
bleibt das Zermalmen der schönen Frau dem folgenden, nur in der
Phantasie auszulebenden Augenblick vorbehalten.

Die Gruppe des nach seinen ersten Besitzern so genannten "Far-
nesischen Stieres" ist ein besonders interessantes Beispiel der schöp-
ferischen Aneignung hellenistischer Skulpturengruppen durch die
Römer. Es ist ja leider so, dass nicht eine einzige dieser grossen pla-
stischen Schöpfungen im Original auf uns gekommen ist, nachdem
sich auch die Laokoongruppe als Kopie erwiesen hat. Immerhin be-
sitzen wir genügend hellenistische Originale und darunter so her-
ausragende Werke wie die Nike von Samothrake und den Perga-
monaltar, so dass zu ermessen ist, wie viel durch den Vorgang der
Kopie an künstlerischer Substanz verlorengehen kann, wie viel aber
auch stilgetreu überliefert sein dürfte. Wir sind durchaus in der La-
ge, auch mit Hilfe der Kopien die Geschichte der hellenistischen Pla-
stik zu erforschen. Was man in diesem Zusammenhang über die
Dirkegruppe herausfinden kann, erscheint methodisch besonders
anregend.

Grundsätzlich ist die Kopienkritik bei der kunstgeschichtlichen
Untersuchung der nicht im Original überlieferten Skulpturen eine
keineswegs zu vernachlässigende Aufgabe. Ein Problem ist aller-
dings, dass häufig ein Kopienvergleich als sicherstes Mittel der Ko-
pienkritik nicht möglich ist, weil viele der grossen Skulpturengrup-
pen nur in einer einzigen Kopie überliefert sind. Ausser dem Farne-
sischen Stier, um den es im folgenden geht, seien erwähnt: die Gros-
sen Gallier, die Skyllagruppe vom Typus Rhodos-Sperlonga-Kon-
stantinopel, die Weinreichungsgruppe von Baiae, das Attalische
Weihgeschenk von der Akropolis zu Athen, die Laokoongruppe.
Immerhin gibt es Kopien von der Palladionraubgruppe, von der
Pasquinogruppe, von der Gruppe der Blendung Polyphems, vom
Ganswürger des Boethos und von nicht wenigen hellenistischen
Einzelskulpturen, so dass ein durch Analogie begründetes Urteil
möglich ist.

Im Fall des Farnesischen Stieres ist ein solches Urteil aufgrund fol-
gender Gegebenheiten nachdrücklich zu vertreten: Erstens erwähnt
Plinius das Original der Gruppe und ihre Künstler, Apollonios und
Tauriskos von Tralleis, in der Naturalis Historia 36, 33-34. Zweitens
gibt es an die vierzig Wiederholungen des grossen Werkes in der
Kleinkunst, darunter das Relief auf der Panzerstatue des Marcus
Antonius in Naxos. Dieses erst kürzlich gefundene Denkmal ist von
entscheidender Wichtigkeit im Zusammenhang mit der Pliniusno-
tiz, wonach die originale Gruppe etwa zur gleichen Zeit, als die Pan-
zerstatue geschaffen wurde, von Rhodos nach Rom gelangte und
dort im öffentlichen Museum eines Parteigängers des Marcus Anto-
nius, nämlich im Atrium Libeiiatis, unter den als Momiiuciita Pollionis

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