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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0208

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Apollonios und Tauriskos von Tralleis: Die Dirkegruppe

wichtiger zu nehmen als die Geschichte der pergamenischen Propa-
ganda in Rhodos.

Deswegen sei zum Abschluss dieses Kapitels noch etwas über die
Kunst der Bildhauer Apollonios und Tauriskos gesagt. Dazu muss
noch einmal die römische Kopie der Gruppe auf ihre innere Stim-
migkeit hin überprüft werden. Wir sahen, dass die einzige überzeu-
gende Hauptansicht der Gruppe die diagonale von ihrer, linken
Ecke her ist. In dieser Ansicht geht aber etwas verloren, was in der
vom Kopisten gewählten axialen Ansicht die eigentliche Attraktion
ist. Der sich pyramidal - bis zur nach oben stossenden Spitze seines
rechten Horns - aufbäumende Stier stürmt durch die Gasse zwi-
schen den Brüdern direkt auf den Betrachter zu, und die Tiefenach-
se seiner Bewegung wird durch den von vorn gegen ihn ankläffen-
den Hund noch verlängert und durch die Gegenbewegung des klei-
nen gegen das grosse Tier eigentümlich gesteigert. Diese wirkungs-
volle Ansicht des Stieres bietet die diagonale Blickachse nicht. Von
der linken Ecke aus gesehen stürmt der Stier schräg ins Bild. Es ist
aber die Frage, ob dies in der originalen Fassung genauso war. Die-
se bestand ja nur aus "Zethos, Amphion, Dirke und dem Stier", wie
Plinius sagt, wobei die Reihenfolge, in der er die Brüder nennt, dar-
auf hinweist, dass er von einer der diagonalen Blickachse enspre-
chenden Ansicht ausgeht. Sonst hätte er den in der axialen Ansicht
weiter vorn stehenden und älteren Amphion zuerst nennen müssen.

Bei diesen Figuren fällt auf, dass ihre aussen, also am Rand des
Felsenterrains stehenden Füsse, das heisst der linke Fuss Amphions,
der hintere rechte Fuss des Hundes, der vorgestreckte linke Fuss
Dirkes und der rechte Fuss von Zethos, alle etwa 1,50 m (das sind
rund 5 Fuss) voneinander entfernt auf einer idealen Kreislinie ste-
hen. Die Ecken der Rechteckbasis ragen über diese Kreislinie hin-
aus, und diese Ecken sind leer und haben für die Komposition kei-
nerlei Bedeutung, sondern werden geradezu abgeschnitten durch
die ideale Kreislinie, von der die Figuren eingeschlossen sind. Setzt
man diese Kreislinie vom linken Fuss des Zethos auf der Rückseite
der Gruppe fort und schliesst sie bis zum rechten Fuss des Amphi-
on, so stehen die Hinterbeine des Stieres und der Antiope gänzlich
ausserhalb von ihr. Die Summe der Abstände zwischen dem linken
Fuss des Zethos und der äussersten Hinterklaue des Stieres, näm-
lich seiner rechten, auf der einen und von dieser zum rechten Fuss
Amphions auf der anderen Seite beträgt aber 3 m, also das Doppel-
te der Einzelabstände zwischen den Füssen der anderen Figuren.
Von diesen darf man annehmen, dass sie in der originalen Form an-
geordnet sind. Ihre äusseren Füsse stehen auf den Spitzen eines
Fünfecks, das der erwähnten Kreislinie einbeschrieben ist.

Wenn die Figur der Antiope aus der Komposition, in die sie
nachträglich eingefügt wurde, wieder entfernt wird, dann bietet
sich der Platz, die Hinterbeine des Stieres auf der idealen Kreislinie

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