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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0220

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Die Laokoongruppe

in Malerei und Bronze vorzuziehen. Das ist ein für den Römer Pli-
nius sehr gut verständliches Geschmacksurteil, denn seine Lands-
leute zogen nachweislich Kopien von griechischen Meisterwerken
in Marmor den einfacher und getreuer herzustellenden Bronze-
nachgüssen vor, weil der Marmor dem menschlichen Karnat sehr
viel ähnlicher ist als die metallisch glatte und glänzende Bronze. Als
Material war Bronze zwar teurer als Marmor, ein Nachguss war
aber technisch sehr viel einfacher herzustellen als eine mit der Drei-
punktmethode aus dem Marmor geschlagene Kopie. Gleichwohl
gab es zum Beispiel in der Villa des Kaisers Hadrian rund zweitau-
send Marmorkopien griechischer Meisterwerke, deren Originale
aus Bronze bestanden, während dort auch in noch so kleinen Frag-
menten keine einzige Bronzeplastik gefunden wurde. Hadrian als
der oberste Exponent der römischen Bevölkerung zog also wie Pli-
nius Marmor der Bronze vor.

Plinius kannte offensichtlich Darstellungen der Laokoongruppe
in Malerei, wie auch wir sie noch aus der pompejanischen Wand-
malerei kennen, und er wusste auch von wenigstens einer, vielleicht
mehreren Darstellungen des Laokoon in Bronze, fand aber in Über-
einstimmung mit dem römischen Kunstgeschmack, dass die Mar-
morkopie im Palast des Titus jener oder jenen vorzuziehen sei.

Mit einer Darstellung des Laokoon in Bronze, der der Marmor-
gruppe im Palast des Titus, von der Plinius spricht, ähnlich war,
dürfte der kenntnisreiche römische Admiral das hellenistische Ori-
ginal gemeint haben, das zu seiner Zeit offenbar noch existierte. Pli-
nius erwähnt nämlich, die Marmorversion, die damals im Besitz des
Titus war, sei von einem Consilium in Auftrag gegeben worden: de
consili sententia. Das ist wieder eine der verknappten Aussagen des
Admirals. Für sein Werk hatte er einen Zettelkasten mit 22 000 No-
tizen angelegt, die er in aller Kürze anführt, wodurch sie allerdings
für einen späteren Leser oft missverständlich werden können. Ein
Mehr an Wissen, wie es die richtige Übersetzung und die Bestim-
mung des consilium liefern, führt aber letztendlich zum richtigen
Verständnis, ohne dass man auch nur ein einziges Wort ändern oder
hinzufügen müsste.

Soweit wir wissen, hatte vor und einschliesslich Titus nur ein rö-
mischer Kaiser einen consilium genannten Thronrat, nämlich der
Kaiser Tiberius (4-37 n. Chr.). Das jedenfalls erwähnt Sueton in sei-
ner Biographie des Tiberius 55. Er teilt auch mit, dass Kaiser Tiberi-
us siebzehn der insgesamt zwanzig Mitglieder des Staatsrates, wie
man consilium übersetzen muss, nach der Verschwörung des Seian
31 n. Chr. hinrichten Hess.

Das von Plinius erwähnte consilium mit dem Staatsrat des Tiberi-
us gleichzusetzen könnte trotzdem kühn erscheinen, wenn nicht ei-
ne weitere Nachricht das ganze Laokoonproblem auf eine neue Ba-
sis gestellt hätte. Gemeint ist die Tatsache, dass die Marmorkopie

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