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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0221

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Die Laokoongruppe

der bronzenen Skyllagruppe von Rhodos in Sperlonga (S. 167-174)
laut der Signatur am Ruderkasten von denselben Künstlern
Athanadoros, Hagesandros und Polydoros aus Rhodos angefertigt
wurde wie nach der Mitteilung des Plinius die Laokoongruppe. Es
sind nämlich nicht nur die drei gleichen Namen, sondern auch der
gleiche Herkunftsort und die gleiche Handschrift der Künstler, die,
wiederum nach Plinius, auch die vom consilium bestellte Gruppe
aus dem Marmor gehauen haben. Diese beiden voneinander unab-
hängigen Informationen beweisen, dass die drei Rhodier Marmor-
kopisten waren, die für den Kaiser Tiberius (4-37 n. Chr.) gearbeitet
haben.

Auch in Rom und auf der Insel Capri, dem Alterssitz des Kaisers,
wurden weitere Signaturen wenigstens eines der drei, nämlich des
Athanadoros, gefunden. Aufgrund dieser Nachrichten gewinnt es
an Wahrscheinlichkeit, dass mit dem von Plinius genannten consili-
um tatsächlich der von Sueton erwähnte Staatsrat des Tiberius ge-
meint ist.

Dieser Staatsrat hätte nämlich einen guten Grund haben können,
dem Kaiser gerade eine Laokoongruppe zu schenken. Tiberius hat-
te in dem grossen Ausstattungsprogramm seiner Praetorium Spelun-
cae genannten Villa von Sperlonga, anknüpfend an Gedanken des
Dichters Ovid, darstellen lassen, dass sein Stammvater Odysseus
neben Aeneas eine entscheidende Rolle bei dem schicksalhaften
Aufstieg Roms spielte. Odysseus hatte die Voraussetzung für die
Einnahme und Zerstörung Trojas geschaffen, die zur Flucht des Ae-
neas und zur Gründung des römischen Volkes führte. Der Priester
Laokoon wagte es, sich dem Ratschluss der Götter entgegenzustel-
len und das Volk von Troja vor dem Hölzernen Pferd, dem Strate-
gem des Odysseus, zu warnen. Da opferten die Götter den all-
zukühnen Priester, wie es in der berühmten Statuengruppe darge-
stellt ist. Diese ergänzt also den Bildgedanken des Naturtheaters
von Sperlonga und musste dem Kaiser deshalb sehr willkommen
sein, auch wenn das consilium vielleicht die von Vergil herausge-
stellte, entscheidende Rolle des Aeneas stärker betonen wollte. Als
dieser den Untergang des Laokoon richtig als Vorzeichen für den
von den Göttern beschlossenen Untergang Trojas deutete, floh er
aus der Stadt und kam nach Italien, wo seine Nachkommen die
Stadt Rom gründeten.

Tiberius hat deshalb auch des Aeneas in Sperlonga gedacht, und
zwar wenigstens durch ein Relief der Stammutter Venus und durch
eine Herme des Julus, des Sohnes des Aeneas und des Stammvaters
der Familie der Julier (S. 270f.). Dieser Familie gehörte Tiberius
durch Adoption an. In Sperlonga wollte er zeigen, dass in ihm die
Schicksalslinien zusammenliefen, weil er als Claudier von Odysseus
und als Julier von Aeneas abstammte, also das Erbe beider Helden
in sich hatte, ohne die es zur Gründung von Rom nicht gekommen

Signatur der Kopisten

Athanadoros,

Hagesandros

und Polydoros

von Rhodos

an der Skyllagruppe

in Sperlonga,

Mus. Naz.

4-26 n. Chr.

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