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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0227

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Die Laokoongruppe

gleichen Bestimmtheit fordern wie -
unter Berufung auf den Pergamonal-
tar - für die Laokoongruppe. Bei den
genannten anderen Motiven handelt
es sich um solche, die für die Bildung
des Gedankens im Künstler wichtiger
sind als für das Verständnis des Be-
trachters. Die Signale, die sie der
Gruppenkomposition mitteilen, kom-
men beim Betrachter an, auch ohne
dass er die Anregung, die der Künst-
ler empfangen hat, so unbedingt ken-
nen muss wie bei der unsichtbaren
Athena, deren Eingreifen er sonst
kaum ahnen könnte. Im Falle der bei-
den Knaben genügt es also, dass der
Schöpfer selbst die beiden anderen
Gruppen gesehen und in sich aufge-
nommen hat, ohne dass auch der Be-
trachter in dieser gleichen Situation
ist. Künstler waren gewöhnlich viel-
und weitgereiste Betrachter der Wer-
ke ihrer grossen Zunftgenossen, un-
ter denen der Schöpfer der Laokoon-
gruppe auch die Polyphem- und die
Niobidengruppe irgendwo gesehen
haben dürfte. Wenn ein beliebiger Be-
sucher Pergamons gleichwohl die bei-
den anderen Gruppen kannte, wo
auch immer sie im Original aufgestellt
waren, wird er kaum übersehen haben, dass nicht nur der Riese Weinschlauchträger
Polyphem, wie der Mythos es fordert, grösser ist als Odys- aus "cr
seus und seine Gefährten, sondern dass auch die Niobe der er- Polyphem gruppe,
wähnten Gruppe ebenso gigantisch neben ihren Kindern wirkt wie
Laokoon neben seinen Söhnen. Besonders das in den Schoss der
Mutter geflüchtete Mädchen in der Florentiner Replik ist ihr ge-
genüber unnatürlich klein. Es war also eine legitime künstlerische
Freiheit hellenistischer Künstler, die Grössenverhältnisse ihrer Fi-
guren aus inhaltlichen Gründen zu verändern, wenn dies die von
ihnen gewählte Form nicht einfach sprengte. Dass dies nicht der
Fall ist, zeigt die gelungene Form der Laokoongruppe, bei der bis-
her niemand Anstoss an der Grösse des Vaters genommen hat, ob-
wohl sie so evident ist.

Aus der Tatsache, dass der Schöpfer der Laokoongruppe nicht nur
den Alkyoneus des Pergamonaltares, sondern zwei weitere bekann-
te Skulpturen in origineller Weise in seinem Werk zitiert, sollte man

Speriaiga,
Mus. Naz.

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