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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0231

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Die Laokoongruite

Lage in der Welt. Die Vorherrschaft, um die die Diadochen und ihre
Nachfolger Hunderte von Jahren mit wechselnden Fronten gerun-
gen hatten, ist nun unwiderruflich an die Grossmacht im Westen
übergegangen. Griechenland wird zur Provinz, und auch die Kunst-
übung wird nach und nach immer provinzieller. Eine der letzten
ganz grossen Aufgipfelungen der griechischen Kunst, hinter der
noch ein machtvoller Behauptungswille gestanden haben muss, ist
das Original der Laokoongruppe. Aber im Zerfliessen der Züge des
sterbenden Priesters, des schon erstorbenen Sohnes und des die Sze-
ne voller Entsetzen erlebenden älteren Sohnes zeigt sich etwas von
der Ohnmacht, in die Griechenland nun versinkt.

Eine kurze stilistische Untersuchung soll zum Schluss klären, ob
irgendeine andere der von den verschiedensten Seiten vorgeschla-
genen Datierungen der Laokoongruppe denkbar ist als die mit die-
ser Hypothese verbundene. Der von der Wissenschaft bisher ange-
nommene mögliche Zeitraum ist ausserordentlich lang; er reicht
vom dritten Jahrhundert v. Chr. bis zum spätestmöglichen Datum,
als Plinius um 75 n. Chr. die Skulptur erwähnt. Dieser weite Zeit-
raum wird durch eine unvoreingenommene Stilbestimmung sehr
stark eingeengt. Zunächst kann man feststellen, dass die Abhängig-
keit der Laokoongruppe von der Athena-Alkyoneus-Gruppe des
Ostfrieses am Grossen Altar von Pergamon einen terminus post quem
gegen 156 v. Chr. bietet, als die Arbeiten am Pergamonaltar abge-
brochen wurden. Einen terminus ante quem bietet die Signatur an der
Skyllagruppe von Sperlonga aus der Zeit vor 26 n. Chr. Innerhalb
dieses Zeitraums von immer noch rund 180 Jahren ist aus stilisti-
schen Gründen ein gewisser Abstand vom Pergamonaltar und auch
von den Figuren des Attalischen Weihgeschenks zu fordern. Man
wird diesen zeitlichen Abstand auf eine Generation veranschlagen
dürfen. Damit käme man frühestens in die Zeit zwischen 140 und
130 v. Chr. An fest datierten Denkmälern muss man als nächstes die
Musen des Philiskos aus der Zeit um 130 v. Chr. nennen, die in der
Einansichtigkeit die Laokoongruppe voraussetzen, aber zugleich
übertreffen. Damit könnte man die Entstehung der Laokoongruppe
stilistisch auf das Jahrzehnt 140-130 v. Chr. festlegen. Für irgendeine
andere Stilepoche kann man jedenfalls einen brauchbaren Vergleich
nicht anführen.

In diesem Jahrzehnt hingegen ist das Werk als eine führende Lei-
stung gut verständlich. Es zeigt sich nämlich bei einer Betrachtung
des Denkmälerbestandes, dass in der Folgezeit bis zum Durchbruch
der römischen Kunst in augusteischer Zeit kein vergleichbar grosses
Werk griechischer Plastik mehr geschaffen wird. Skulpturen wie das
Ehepaar Dioskurides und Kleopatra von 138/137 v. Chr. in Delos
und wie überhaupt die späthellenistischen Plastiken auf der seit 166
v. Chr. zum Freihafen erklärten, aber 89 v. Chr. zerstörten Insel, des
weiteren wie der in Ephesos gefundene Borghesische Fechter des

Zeus und Musen

Homer

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