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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0233

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Die Laokoongruppe

natsaristokratie einander und ihre Klientel beeindrucken wollten.
Der griechische Philosph Kineas, der als Gesandter des Pyrrhos
schon 280 v. Chr. in Rom weilte, soll den Senat nach Plutarch (Pyr-
rhos 19) eine Versammlung von Königen genannt haben. Bis zur
Entstehung des römischen Kaisertums waren diese Aristokraten in
gewisser Weise die bedeutendsten Auftraggeber ihrer Zeit.

37. Die Bildnisse der Scipionen

Aus Rom stammen zwei jetzt in der Glyptothek in München aufbe-
wahrte Bildnisköpfe, die sich in spezifischer Weise von den anderen
spätrepublikanischen Porträts unterscheiden. Sie sind einander
trotz der unterschiedlichen Frisur brüderlich verwandt, und sie sind
erfüllt von einem rein griechischen Pathos, wie es in der Formung
des Barock durch Phyromachos entwickelt wurde. Diese Bildnisse
müssen Schöpfungen eines griechischen Meisters sein, der in der
Tradition der Werkstatt des 156 v. Chr. abgeschlossenen Pergamon-
altares steht. Nah verwandt ist auch der Stil des Odysseus von Sper-
longa und der Pasquinogruppe, deren Entstehungsdatum und ur-
sprünglicher Aufstellungsort allerdings nicht bekannt sind.

Ein Vergleich mit der Laokoongruppe ist nicht unbedingt ergie-
big, weil der Gegenstand allzu verschieden ist. Die kräftigen, reifen
Männergesichter setzen sich natürlich von den Knabenköpfen der
Laokoongruppe und den schmerzverzogenen Zügen des sterben- Odysseus aus der
den Priesters deutlich ab. '" V/'|""'Xr"/'/"

Gleichwohl ist offensichtlich, dass in den Münchener Bildnissen w ' ^
dieselbe vom Pergamonaltar vertretene Stiltradition greifbar ist wie jjm jg^ R Q,r
in den genannten Werken. Die geweiteten Augen, der gespannte
Blick unter dem vorgeschobenen Dach der Jochbögen in Form einer
Sinuskurve, das ist ebenso stilbestimmt wie die kräftigen, nur eben
geöffneten Lippen, welche die Luft anzuhalten scheinen. Das be-
wegte Relief der Wangen und das muskulöse Kinn nehmen die lei-
denschaftliche Spannung auf, die das herrisch zur Seite geworfene
Haupt und der Blick suggerieren. In der Stirne sind tiefe Falten ein-
gezeichnet, zwei oder drei Steilfalten über der knorpeligen Nasen-
wurzel und wellige Furchen über den Primatenwülsten. Diese Fal-
ten sind endgültig eingetragene Zeichen angestrengter Aktivität,
nicht freies Mienenspiel, das sich im Blick der alles bestimmenden
Augen mit ihren tiefen inneren Winkeln sammelt.

Der Schöpfer dieser Werke muss der dem Pergamonaltar gleich-
zeitigen Bildhauergeneration angehören; die Bildnisse sind also ins
zweite Drittel des zweiten Jahrhunderts zu datieren, sie könnten
aber auch gegen Ende dieses Zeitraums entstanden sein. Es handelt
sich bei den dargestellten Persönlichkeiten jedoch nicht um Grie-
chen, sondern zumindest wegen des kurzen, militärischen Haar-

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