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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0257

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Der Polyphemgiebel von Ephesos

ben. Marcus Antonius wollte sich in der Gestalt des Odysseus spie-
geln und in dem Riesen aus dem italischen Westen, den er über-
windet, seinen Gegner lächerlich machen. Das Volk von Ephesos
scheint die Absicht verstanden zu haben, kehrte sie aber in einem
politischen Witz um, den Plutarch [Antonius 24, lOf.) überliefert. Er
berichtet, beim Einzug des Marcus Antonius in Ephesos im Jahre 41
v. Chr. seien Frauen als Bacchantinnen, Männer und Knaben als Sa-
tyrn und Pane kostümiert vor ihm hergegangen. Von Efeu und
Thyrsosstäben, vom Klang der Saiteninstrumente, von Schalmeien
und Flöten sei die Stadt erfüllt gewesen, und ihn selbst priesen sie
als Dionysos den "Freudenbringer", den "Huldreichen". Doch dann
fährt er fort: "Das war er gewiss für einige; für die meisten aber war
er der 'Rohverschlinger', der 'Grausamwilde'". Diese beiden Be-
zeichnungen sind Kultnamen des Dionysos, die seine dunkle, wüste
Seite anzeigen. Man kann sie auch als Aussage über die Willkür-
herrschaft des Marcus Antonius verstehen. Das Volk scheint ihn al-
so eher in Polyphem als in Odysseus erkannt zu haben.

Die Giebelskulpturen stellen den entscheidenden Augenblick des
Mythos dar, in dem Odysseus den von seinen Gefährten immer wie-
der nachgefüllten Becher dem sitzenden Riesen reicht und auf die
Frage, wie er denn heisse, die wohlbedachte Antwort gibt: "Niemand
ist mein Name, Niemand nennen mich Vater, Mutter und alle Ge-
schwister." Zum Dank für diese Auskunft verspricht Polyphän, die-
sen Niemand als letzten zu fressen, woraufhin später die anderen Ky-
klopen, die auf sein Schreien herbeigeeilt sind, unverrichteter Dinge
wieder abziehen, als er ihnen aus der Höhle zurief (Od. 9, 365; 406):
"Freunde, Niemand sucht mich mit List und Gewalt zu ermorden."

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