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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0270
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Ergebnis: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik

Scipio Seite 230
139-133 v. Chr.

Telephos-Mithridates
Seite 239 88-85 v. Chr.

es, dass Plinius Naturforscher und Admiral und nicht Künstler war
wie Giorgio Vasari, ohne dessen "Lebensläufe der berühmtesten
Maler, Bildhauer und Architekten" es um die Kenntnis der Künstler
der Renaissance auch nicht so gut bestellt wäre.

Gleichwohl ist das, was man der Nennung dieser Künstler durch
diejenigen entnehmen kann, die man mit dem Untertitel des Buches
als 'Betrachter' bezeichnen darf, nicht wenig. Durch das Geflecht,
das sich bei der Untersuchung der Primärquellen, das heisst der in
der einen oder anderen Form überlieferten Kunstwerke, und der Se-
kundärquellen, das heisst der namentlich bekannten Künstler, der
irgendwie noch zu erschliessenden Auftraggeber und der Betrach-
ter ergeben hat, entstellt ein Bild der historischen Stilentwicklung
im Hellenismus, das zwar bei weitem nicht so dicht ist wie in der ar-
chaischen oder klassischen Kunst und auch nicht in der neueren
Kunst und besonders in der der Renaissance, aber es ist doch ein ge-
schlossenes, in grossen Zügen gezeichnetes und geschichtlich folge-
richtiges Bild, und dies ist nicht zuletzt den Aussagen derer zu ver-
danken, die hier unter dem Begriff "Betrachter" erscheinen.

Die für den Gedankengang des Buches möglicherweise bedeu-
tendste Aussage eines solchen Betrachters ist die des Plinius über
den Laokoon im 37. Absatz des 36. Buchs seiner Naturgeschichte
{nat. 36, 37). Es mag verblüffen, dass der Admiral Plinius in seiner
Eigenschaft ausgerechnet als "Betrachter" des Laokoon herangezo-
gen wird. In diesem Fall erweist aber offensichtlich zumindest ein
Wort in dem kurzen Absatz über den Laokoon, dass er nicht nur Po-
lyhistor war, der eine Notiz, die er irgendwo aufgelesen hatte, mit-
teilt, sondern dass er die Gruppe tatsächlich mit eigenen Augen ge-
sehen und sogar bewundert hat. Er nennt die Schlangenwindungen,
die mitsamt den Figuren aus einem Marmorblock herausgehauen
sind, miräbiles, wunderbar. Der ganze Satz enthält das für das Text-
verständnis entscheidende Geschmacksurteil eines römischen Be-
trachters, der bei Skulpturen auch griechischer Schöpfer den Mar-
mor der Bronze, ja sogar einer Malerei vorzieht. Ihm gefiel eine Dar-
stellung des Laokoon wie die vor ihm stehende aus Marmor besser
als eine in Malerei oder Bronze. Nur diejenige in Marmor war dem
Inkarnat menschlicher Figuren ähnlich, während eine gemalte nur
zweidimensional, eine aus Bronze hart und metallisch waren. Die-
ses Urteil, das die meisten Römer teilten - sonst hätten sie mehr
Nachgüsse griechischer Statuen in Bronze als höchst kompliziert
mit der Dreipunktmethode herzustellende Marmorkopien aufge-
stellt -, gab den Anstoss zur vorliegenden Untersuchung. Die Rolle
des Betrachters in der Dreiecksbeziehung, in die jedes Kunstwerk
gestellt ist, darf der Kunsthistoriker bei seinem Versuch der Nach-
forschung nicht unterschätzen. Die Heranziehung der Aussagen an-
tiker Betrachter kann vielmehr für das Verständnis eines Kunstwer-
kes selbst vom Rang der Laokoongruppe entscheidend sein.

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