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Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn — 2.1878

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Benndorf, Otto: Mercurrelief von Carnuntum
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https://doi.org/10.11588/diglit.9392#0009
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Knaben fehlen. Die besser erhaltenen Partien tragen den Charakter
einer geringen Steinmetzarbeit.

Von dem Grunde der Platte löst sich in sehr hohem Relief
eine jugendliche männliche Figur, die in Vorderansicht auf dem
rechten Beine steht. Ihr Kopf wendet sich etwas nach links in die
Höhe, der rechte Arm ist weitab vom Körper gesenkt, der linke
an die Seite eng angeschlossen und im rechten Winkel nach vorn
gebogen. Ueber den linken Unterarm ist theilweise herabfallend ein
Gewand gebreitet, das einem kauernden Knaben, der sich mit der
linken Hand auf dem Sitz festhält und den rechten Arm mit dem
Kopfe in die Höhe geführt zu haben scheint, als Unterlage dient.
Ein Hut mit Flügelansätzen, der Beutel in der rechten Hand, Ca-
duceus und Bock am Boden lassen über Mercur nicht in Zweifel.
Dagegen bleibt es zunächst unbestimmt, wer in dem nicht näher
charakterisirten Knaben zu erkennen sei. Diese Frage führt un-
zweifelhaft in griechische Vorstellungskreise.

Unter den zahlreichen Schutzgottheiten, denen jede griechische
Landschaft auf eigene Weise das Gedeihen des Jahressegens und
die Erneuerung ihres edelsten Besitzes, der aufwachsenden Jugend
dankte, spielt Hermes eine hervorragende eigenthümliche Rolle. Wie
er Felder und Weiden fruchtbar macht, den Gewinn der Heerde
mehrt, Wohlfahrt und Reichthum spendet, so nimmt er das pflege-
bedürftige junge Glück der Familien, die Neugeborenen, in seine
besondere Obhut. Er ist Koupoxpöcpoc, wie alle Schutz und Segen
spendenden Götter es sind oder sein können. Während diese Be-
ziehung zur Jugend aber bei den meisten derselben nur in jenem
weiten, menschlich allgemeinen Sinne auftritt, als eine Sache des
persönlichen Glaubens nutzbar jedem einzelnen Bedürfnissfalle sich
anbequemend, hat sie bei ihm, nachdem seine mythologische Gestalt
im Epos abgegrenzt und fixirt war, mit Vorliebe eine dichterische
Einkleidung erhalten und sich in dieser zu einer bestimmten mytho-
logischen Formel ausgebildet, in der sich ihr ursprünglicher-Sinn
verflüchtigte. Als Bote und Diener der Unsterblichen ist er überall
hilfreich zur Hand, wo ein geborener junger Göttersohn Noth leidet;
er hat im Olymp, wie nicht unzutreffend gesagt worden ist, das
Amt eines Kinderwärters erhalten. Nicht blos dem eigenen Sohn,
dem missgestalteten Pan, den die erschrocken fliehende Mutter ver-
leugnet, gewährt er Schutz, indem er ihn in den Arm aufnimmt,
um ihn den Unsterblichen zuzuführen; den ausgesetzten Ion trägt
er auf Geheiss des Apollon von Athen nach Delphi, die jungen
 
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