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Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn — 2.1878

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Hirschfeld, Otto: Ausgrabungen in Carnuntum, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9392#0192
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180

Stellung, auf welche offenbar der Göttercultus im Lager gegenüber
der Verehrung des Kaisers angewiesen war4), und in Anbetracht
der sicher nichts weniger als luxuriösen Anlage und Ausstattung
dieses an der Grenze des römischen Gebietes auf barbarischem
Boden angelegten Lagers ebensowenig sprechen, als der Umstand,
dass keine Ueberreste von Säulen oder anderem ornamentalen
Schmuck hier zu Tage getreten sind. Tempel in dem Sinne, den
wir gewöhnlich mit diesem Worte zu verbinden pflegen, sind diese
Lagertempel ohne Zweifel überhaupt nicht gewesen und sicher-
lich haben dieselben nicht ausschliesslich religiösen Zwecken ge-
dient, sondern sind von dem Commandirenden vielfach zu anderen
officiellen Acten benutzt worden5). Daraus würde sich vielleicht
auch die bei einem antiken Heiligthume wohl singulare Erscheinung
erklären, dass dieser Raum mit Heizvorrichtung versehen war; das
rauhe Klima von Carnuntum hat begreiflicherweise für die empfind-
lichen Südländer solche Vorsichtsmassregeln nothwendig gemacht.
Ueber die Bestimmung der in der Mitte der Nordwand vorsprin-
genden Estrade, die nicht gleich den übrigen Theilen des Saales
mit Hypocausten versehen ist, wage ich vorläufig keine Vermuthung
zu äussern.

Wenn nun die von mir versuchte Benennung als Lagerheilig-
thum das Richtige trifft, so wird unzweifelhaft die Statue des Kaisers
gegenüber dem an der Nordseite befindlichen Eingange, d. h. an
der Stelle, wo sich der oben beschriebene Stein befindet, gestanden
haben. Ob aber dieser Stein selbst als Basis des Kaiserstandbildes
anzusehen ist oder die Kaiserstatue vor demselben auf einem an

4) Zu weit geht freilich, wie die eben angeführte Stelle des Tacitus und auch
die Funde von Carnuntum zeigen, Wilmanns {Comment. philol. Mommsen. p. 196)
mit der Behauptung, dass Juppiter und die anderen hohen römischen Götter ihre
Cultstätte nur ausserhalb des Walles gefunden hätten. Aber allerdings musste ge-
rade im Lager, wo Soldaten aus allen Ländern der Welt mit den verschiedensten
religiösen Anschauungen und Gebräuchen zusammenlebten, der eigentlich römische
Göttercult zurücktreten gegen die Allen gemeinsame und für Alle in gleicher Weise
verbindliche Verehrung des Kaisers.

5) Rechtsprechung, Vereidigung der Soldaten, Empfang fremder Gesandt-
schaften u. a. m. dürfte wohl in diesem geheiligten Räume vor dem Bildniss des
Kaisers vielfach vor sich gegangen sein. Dass Elagabal die Nacht vor seiner
Ermordung in dem Prätorianerlager ev tu) lepu) toö axpaTOirebou, ohne Zweifel
um vor der Wuth der Prätorianer durch den heiligen Ort geschützt zu sein, zubrachte,
berichtet Herodian V, 8, 7; vgl. auch die gewiss mit Bezug auf römische Lager
geschriebenen Worte des Statius (Theb. 10, 176): ventum ad concilii penetrale
domumque verendam signorum.
 
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