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Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn — 3.1879

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Kekulé von Stradonitz, Reinhard: Marmorgruppe der Sammlung Modena in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.9393#0029
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dem Medaillon und der Goldmünze des Hadrian und überhaupt einer
ganzen Reihe verschiedener Typen beigegeben57), so dass aus diesem
Beinamen allein ein Schluss auf die cäsarische Genetrix nicht zu-
lässig ist.

Die Wiener Figur, auf welche meine Erörterung hier zurück-
lenkt , hat mit dem Venustypus des Reliefs von Ravenna die ähn-
liche Anbringung des Eros gemein. Aber ebenso augenfällig ist die
Verwandtschaft mit dem zuletzt genannten in den Statuen vorliegen-
den Typus durch die Gleichartigkeit des Geschmacks in der An-
ordnung und Durchführung des auch hier an die Körperformen sich
feucht anlegenden Gewandes; und ebenso entspricht Kopf und Haar
mehr diesem, als dem Typus der Relieffigur. Man könnte also an
eine absichtliche Combination dieser beiden Typen denken und dann
als das Attribut der fehlenden linken Hand den Apfel vermuthen,
welchen die Venus auf der Münze der Sabina hält. Aber das Motiv
der Wiener Gruppe macht einen zu frischen und selbständigen Ein-
druck, um eine solche äusserliche Zusammenfügung zu sein; es ist
zu momentan, um ein schablonenhaftes Attribut zuzulassen und die
Verwandtschaft mit einem dritten, viel verbreiteten statuarischen
Typus widerräth, die Wiener Gruppe zu spät zu setzen. Ich meine
den Typus der an einen Pfeiler angelehnten sog. Euterpefiguren 58),
welche in der Gesammtanordnung, in Stellung und Haltung, wenn
ich recht urtheile, auch in den Proportionen, bei manchen Exem-
plaren vielleicht auch in der Behandlung einzelner Gewandpartien
Vergleichungspunkte darbieten. Reifferscheid hat für die römischen
Darstellungen des Amor am Halse der Venus angenommen, dass
die Göttin von Amor zur Liebe zu Anchises bestimmt werde —
ich zweifle, ob mit Recht. Aber jedesfalls wird für die Wiener
Gruppe eine weniger peinliche Deutung zu suchen sein. Ich denke
mir in der Hand der Aphrodite den Bogen oder einen Pfeil des Eros
und beide in heiterem Sinnen, wem der nächste Pfeil gelten solle,
oder Aphrodite hat dem Eros die Waffe genommen und Eros bittet
schmeichelnd sie ihm zurückzugeben. So findet die Gruppe leicht
ihre Stelle in der Reihe der besprochenen Darstellungen ; sie gehört,
obwohl in durchgeführterer Kunst, einer ähnlichen Gedankensphäre
an, wie die Terracottafigur aus Rugge. Die etwas genrehafte Auf-
fassung der olympischen Gottheit entspricht durchaus dem Geschmack
der alexandrinischen Poesie und Kunst. Ich wüsste nicht, warum

") Bemoulli a. a. O. S. 94.
5S) Bernoulli a. a. O, S. 128 ff.
 
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