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Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn — 4.1880

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Benndorf, Otto: Zur Venus von Milo
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https://doi.org/10.11588/diglit.9394#0077

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die Dinge liegen, nicht schwer fallen. Schon aus einem ganz allge-
meinen Grunde wird die immerhin beträchtliche Differenz des Formen-
baues beider Köpfe bei ihrer Identität im Schema weit erklärlicher
in dem letzteren Falle, wenn es sich also nicht um eine einmalige
Nachbildung handelt, sondern um zwei Nachbildungen, welche als
solche leichter und weiter divergiren. Als eine Replik der Venus
von Milo würde die Venus von Tralles sehr schwer verständlich
werden; sie würde eine Zurückübersetzung in eine frühere, verhält-
nissmässig gebundenere Geschmacksweise bedeuten und als eine
durch die natürlichen Erfordernisse der Reduction keineswegs be-
dingte wesentliche Umbildung dastehen, von der sich nicht begreifen
Hesse, warum ein in dieser Weise selbständig verfahrender Künstler
sich überhaupt noch an Beibehaltung und zwar an Beibehaltung
vornehmlich des Aeuserlichen, selbst blos Zufälligen der Anlage ge-
bunden erachten konnte. In dem anderen möglichen Falle stellt sich
der Hergang ungleich einfacher dar. Von dem vorauszusetzenden
gemeinsamen Originale, das ich nicht vor der Mitte des vierten Jahr-
hunderts entstanden denken kann, wird der schöne Kopf des
unteren Belvedere, der von sehr unbefangen Prüfenden als „grie-
chischer im Aussehen" bezeichnet worden ist, nach Art einer
Copie die treuere Vorstellung bewahrt haben, während die Venus von
Milo, an der es ohnehin zumal im Gewände nicht an Merkmalen
einer späteren Arbeit fehlt — schon die Tracht an sich, das blosse
Himation ohne Chiton, liegt über die Frauensitte der früheren Zeit
hinaus — von einem Meister herrühren dürfte, der seiner Wieder-
holung mehr oder weniger bewusst umbildend die breitere Manier
seiner Zeit und den Charakter einer einheitlich neuen Leistung gab.

Der soeben veröffentlichte weibliche Kopf aus Pergamon5)
scheint der Venus von Milo in der eigenthümlichen Weise der
Formenbehandlung in der That nahe zu stehen. Auch sonst fehlt
es nicht an ähnlich einschlagenden Arbeiten, die sich allein als
spätgriechische zu grösserer Breite gesteigerte Wiederholungen von
Typen des vierten Jahrhunderts historisch verstehen lassen6), und

5) In C. von Lützow's Zeitschrift für bildende Kunst 1880 Heft 6.

6) Ich erinnere unter Anderem an den dem Parthenon zugehörig geglaubten
Kopf im Cabinet des mödailles zu Paris {Gazette arcMoligique I pl. I), den Michaelis
Parthenon S. 202 B mit dem Nikekopfe vom Eubulidesdenkmale (Kekule Theseion
n. 58) stilistisch zusammenstellt und der so gut ein Apollon und kunstgeschicht-
lich gleich zu beurtheilen ist, wie der griechische sogenannte Aphroditekopf im
unteren Belvedere (E. v. Sacken die antiken Sculpturen des k. k. Münz- und Antiken-
cabinets Taf. V), den auch Conze noch für weiblich hielt (Zeitschr. f. d. österr.
6ymn. 1873 S. 844). Dem (Aphrodite-)Apollonkopf im unteren Belvedere verwandt,
 
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