Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Your session has expired. A new one has started.
Metadaten

Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn — 4.1880

DOI article:
Benndorf, Otto: Zur Venus von Milo
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9394#0078

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
72

glücklicher Weise hat ja die Ansetzung in jüngere Zeit aufgehört
für grosse vielbewunderte Antiken eine Art Beleidigung zu bilden,
gegen welche die Pietät in die Schranken zu treten hätte. Dass
die Venus von Milo keine Schöpfung erster Hand, kein Original in
demjenigen Sinne ist, wie in der Regel geglaubt worden ist und
unserer Bewunderung kaum anders fassbar erscheint, lehrt jetzt eine
Gegenüberstellung mit dem praxitelischen Hermes von Olympia.
Namentlich im Kopf, der für mein Gefühl überhaupt etwas zurück
steht in der Arbeit hinter der wunderbaren Bildung der Brust und
des Leibes, entbehrt sie jene letzte ursprüngliche Frische der Voll-
endung, die hier als ein Höchstes entzückt und dem Erfinder ihres
Typus unmöglich gefehlt haben kann. Die Venus von Tralles sieht
trocken aus neben dem Hermes von Olympia, aber sie steht ihm in
der Formgebung näher. Der Schnitt des Profils, die ganz eigen-
thümliche Accentuirung des Nasenbeines, die geringe Höhe der Nasen-
flügel, der sehr kleine Mund, die kurze Oberlippe und selbst das
Grübchen am Kinn bieten so bestimmte Anklänge, dass man ihr
Original derjenigen Zeit und Schule, Kühnere würden vielleicht sagen
sogar derjenigen Hand zugehörig glauben möchte, der wir den
Hermes von Olympia danken. Die Tragweite dieser Beobachtungen
mag zu kurz sein, und ich möchte nicht vergessen, dass in diesen
verführerisch feinsten Fragen das Glück der Wahrheit sich nur zu
oft wie ein Dämon unter täuschenden Verwandlungen dem Besitz
entzieht. Aber bestimmter die Richtung zu weisen, in der
das Urbild der Venus von Milo zu suchen sein wird, dieses Verdienst
scheint mir dem hier veröffentlichten Kopfe unbestreitbar zu gebühren,
und um dieser Bedeutung willen wünschte ich neuerdings auf ihn
aufmerksam zu machen und ihn weiteren Studien im Gypsabgusse
angelegentlich zu empfehlen7).

aber augenscheinlich besser gearbeitet ist der von Kekule arch. Zeit. 1878 Taf. 7
veröffentlichte Apollonkopf aus Taormina; auch ihm fehlen indessen für mich, nach
der Abbildung zu urtheilen, Kennzeichen einer Arbeit aus der ersten Hälfte des
vierten Jahrhunderts.

7) Der von Goeler von Eavensburg die Venus von Milo 1879 S. 173 unter
den Repliken der Venus von Milo aufgeführte Torso von Smyrna ist nach Wien in
das untere Belvedere gekommen und als hier befindlich bereits von Gurlitt arch.-
epigr. Mitth. I S. 2 Anm. 1 n. 1 beschrieben worden. Die Anlage des Gewandes
stimmt aber nicht mit der Venus von Milo, sondern, und zwar sehr genau, mit der
Venus von Capua überein.

Wien BENNDORF
 
Annotationen