Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Your session has expired. A new one has started.
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
167

der Nacht während des Schlummers der Menschen über den Himmel
hingleitet, und nach ihm der Morgen des neuen Tages anbricht, so
geleitet Selene die beiden Knaben zu einem neuen Lebensmorgen,
der, wo auch immer es sei, der Abgeschiedenen Geister zu einem
reineren Dasein zusammenführt. Vergil schildert uns im sechsten
Buche seiner Aeneisou) das zukünftige Leben der Seelen derer, die
nach dem Tode ihren Lohn im Elysium erhalten. Was Jemandem
im Leben lieb war, das folgt ihm auch im Tode nach, mochten es
Waffen oder Pferde, mochte es Freude an Tanz und Gelag oder
Liebe zum Gesänge sein. Da finden wir neben den Vertheidigern
des Vaterlandes keusche Priester, fromme Seher, Beglücker des
Menschengeschlechtes und

nquique sui memores aliquos fecere merendo".

Versetzen wir uns in diese Anschauung der Alten, welcher
passendere Lohn dürfte da für Kleobis und Biton gefunden werden,
als die Wiedervereinigung mit der geliebten Mutter, für die sie im
Leben ihise Körperkräfte aufs Spiel setzten? So hat es sich auch
der Künstler gedacht. Es verschlägt dabei nichts, ob er der oben
erwähnten Version des Hygin, wonach die Mutter sich selbst den
Tod gab, folgte, oder nicht. Einmal war ja doch auch ihr des
Lebens Ende bestimmt. Und so zieht denn Kydippe am Schluss
der Darstellung ihre Söhne liebreich an sich, während diese mit
kindlichen Blicken zu der Sitzenden aufschauen. Des Baumes
wegen sind die Knaben etwas kleiner gebildet, aber der Künstler
hat auch hier durch Beobachtung der Porträtzüge und Gewandung
bei den Knaben nicht minder wie bei der Mutter ihre Identität mit
den vorher geschilderten Figuren aufs bestimmteste festgehalten, so
dass ein Zweifel an ihrer Bedeutung nicht aufkommen kann.

Wir sind am Ende mit der Auslegung unseres Reliefs. Es
ist möglich, dass es gelingt, die Beziehungen der dargestellten
Scenen untereinander noch enger zu fassen. In der Hauptsache
dürfte die versuchte Erklärung, wie sie sich ohne willkürliche Hypo-
thesen aus scharfer Beobachtung des Reliefs ergeben hat, kaum
anzufechten sein. Hoffen wir, dass sie demnächst auch durch ver-
wandte Darstellungen neue Bestätigung findet.

6") Vgl. besonders V, 637-678.

Burg bei Magdeburg

H. DÜTSCHKE
 
Annotationen