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Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn — 13.1890

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Ziehen, Julius: Römische Bildwerke im Nationalmuseum zu Pest
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https://doi.org/10.11588/diglit.12274#0072

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62

Fassen wir endlich noch die Gestalt des Mars ins Auge, so
hat bekanntlich die bessere Publication älterer und der Zuwachs
neuer Denkmäler längst gegen Lessing entschieden, der im
7. Capitel des Laokoon mit der anziehenden Lebhaftigkeit seines
Stiles „zehne gegen eins wetten wollteu, dass Mars'in schwebender
Stellung von der antiken Kunst nicht dargestellt wurde; als neuer
Zeuge gegen diese Ansicht tritt das Waitzener Relief in die bei
Blümner15) zusammengestellte Reihe ein, indem es mit der stark
geneigten Schwebestellung des Gottes dem Bonner Relief am
nächsten steht und nur durch das leise Berühren der Erde mit
einem Fuße nicht nur dem Moment der Ankunft bei Rhea Silvia
etwas näher rückt, sondern auch der Figur einen leichten Stütz-
punkt gibt.

Dagegen vom künstlerischen Standpunkt enthalten Lessings
Ausführungen eine unzweifelhafte Wahrheit, die nur einer schon
durch Herder angedeuteten Einschränkung bedarf. Bei Dar-
stellungen in kleinem Maßstabe und bei Werken der Malerei ist
es weniger störend, wenn auch die bildende Kunst von der der
göttlichen Natur entsprechenden und von der Poesie seit Homer
stets benutzten Fähigkeit flügellosen Dahineilens durch die Lüfte
Gebrauch macht. Öfters begegnen uns Gottheiten in dieser Weise
auf campanischen Wandbildern, Venus zu Aeneas herabschwebend,
Athene auf den Ariadnebildern, der sogenannte Zephyros auf dem
noch immer in seinen Einzelheiten nicht völlig klargestellten
Bilde; Wieseler (zu DAK II 253 a) hat mit Recht gegen Friederichs
bemerkt, dass in der Zufügung eines flatternden Gewandes und
ähnlichen Beiwerkes gleichsam eine Milderung des statischen
Bedenkens liegt.16) Für plastische Darstellungen, bei denen die
Natur des Materials uns die Schwere der Körper deutlicher zum

15) Blümner im Commentar zu Lessings Laokoon 2. S. 548 ff.; dass
übrigens die Worte der vielbehandelten Juvenalstelle dieselbe Zweideutigkeit
enthalten, die uns in dem Schwanken zwischen frei schwebendem und auf den
Zehen heranschleichendem Mars bei den Denkmälern begegnet, scheint mir
eine durchaus mögliche Annahme. Pendere ist von halb schwebender Haltung
bei unterstütztem Fuße z. B. für die bekannte Kunstdarstellung des Kairos
gebraucht (Phaedr. Fab. V 8 cf. Benndorf A. Ztg. 1863 S. 85) und suspenso
gradu leise heranschleichend erscheint Priap bei Ovid Fast. 1426, wo die Verschie-
denheit der sonstigen Verhältnisse nicht gegen die Auffassung eines Einzelmotives
ins Feld geführt werden darf, dessen weite Verbreitung durch Anführung einer
Reihe von unter dem Einflüsse von Kunstdarstellungen stehenden poetischen Be-
schreibungen solcher Beschleichungsscenen zu beweisen hier nicht nöthig ist.

16) Vgl. Sigmund Exner, die Physiologie des Fliegens und Schwebens
in den bildenden Künsten, Wien 1882.
 
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