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Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn — 16.1893

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Swoboda, Heinrich: Arthmios von Zeleia
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https://doi.org/10.11588/diglit.12273#0075
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nicht der Verlust der bürgerlichen Ehre, der Jemandem angedroht
wird, sondern die Straflosigkeit für Denjenigen, der den Geächteten
niederschlägt. Aber mit der zweifachen Bedeutung, welche dem
Worte Tiur| zukommt, konnte man unter dnuia auch etwas anderes
verstehen, die Ehrlosigkeit als Strafe, und dies ist eine jüngere Ent-
wicklung. Die Achtung ist daher die älteste Stufe der Atimie und
darum hat sie auch diese Benennung beibehalten, wenigstens solange
sie selbst noch in lebendiger Übung war. Die Umbildung des Be-
griffs im Sinne der Atimie als der Aberkennung der bürgerlichen
Rechte und ihre Scheidung in mehrere Arten kann erst in spätere
Zeit fallen und ist wohl in Zusammenhang mit der allmählichen Ent-
wicklung und Steigerung der Volksgerichtsbarkeit erfolgt, die mit der
Einsetzung der Geschworenengerichte durch Solon anhebt; wie ja über-
haupt das ganze kunstvolle System der attischen Strafen, wie es für
das vierte Jahrhundert bekannt ist, erst im Laufe der Zeit und in
enger Verbindung mit jenen fundamentalen Änderungen der gericht-
lichen Organisation erwachsen sein wird.0') Später ist allerdings die
alterthümliche Bezeichnung immer mehr zurückgetreten, gewissermaßen
verschollen, wie man ja im vierten Jahrhundert von Ächtungen über-
haupt nicht viel mehr hört.55) In dem Psephisma des Diophantos,
das gleichsam an dem Ende dieser Entwicklung steht, wenn es auch
an die alten Gesetze wieder anknüpft, ist der Ausdruck ornuoc; bereits
fallen gelassen und dafür allein- TroXeuioc; gesetzt; und ebenso drückt
sich der Beschluss für Peisitheides aus der Mitte des vierten Jahr-
hunderts aus, C. I. A. II 115 b, Z. 30 ff.: eidcv öe ti[c; dTro]KT[d]v[n]
TTeicriGdönv, Tro\eu[ioc; ecrjiuu tuj ön.uiy tlu ÄOnvcüwv k[ai f\ ttöXic;] f]
uTTobeSauevn xöv dTTOK[rdvavTa]. So ist es begreiflich, dass Demosthenes
seinen Mitbürgern, denen diese Dinge schon aus dem Gedächtnis ent-
schwunden waren, den Inhalt des Psephisma gegen Arthmios und
dessen Tragweite, was bezeichnend ist, aus den drakontischen Gesetzen
erläutern musste und dass Aristoteles irrthümlicher Weise Satzungen
des sechsten Jahrhunderts in modernem Sinne interpretiert hat. Außer-
halb Athens hat sich dagegen, wie wir an zwei inschriftlichen Bei-
spielen constatieren konnten, die ursprüngliche Terminologie länger
erhalten; es stimmt dies dazu, dass die Entwicklung des Urkunden-
stiles — und dieser lässt einen Schluss auf die Sprache der Gesetze

54) Dafür dass der Begriff der Atimie in älterer Zeit ein sehr weiter und nicht
wie später fest begrenzt war, legt auch das solonische Restitutions-Edict Zeugnis
ab (Plut. Sol. c. 19), wo die Bezeichnung äti/uot, wie ich glaube, für die verur-
theilten Verbrecher, die amnestiert wurden, schlechthin gebraucht ist.

55) Vielleicht wurden die Verräther von Olynth in Athen geächtet (Schäfer
Demosthenes 2 II 156).

Archäologisch-epigraphische Mittheil. XVI, 1 5
 
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