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Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn — 16.1893

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Hartwig, Paul: Fragmente zweier rothfiguriger Iliupersis-Schalen
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https://doi.org/10.11588/diglit.12273#0137
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Hier dürfte es am Platze sein, eine auf die Auffassung der
Priamos - Episode bezügliche Controverse zu berühren. Eine Anzahl
Gelehrter, Overbeck, Heydemann, Michaelis, Klein, nehmen an, dass
Neoptolemos den Körper des Astyanax gleichsam als Waffe gegen den
alten Priamos schwingt, Furtwängler erhebt dagegen im Texte zu
Tafel 49/50 der Sammlung Sabouroff lebhaften Einspruch: „Jeder an-
tike Beschauer wusste, dass Neoptolemos den Knaben Astyanax von
der Burg herabschleudern und den Alten dann selbst tödten wird."
Ersteres sei ein alter, feststehender Zug der Sagfe, welcher bereits im
Klagegesang der Andromache II. 24, 734 angedeutet wird: r| Tic; Axouwv
phpei xeiP°S eXujv dtro irupYOU. Wir hätten demnach eine Verschmelzung
zweier zeitlicli getrennter Momente, das Herabschleudern des Knaben
von der Zinne der Burg und die Ermordung des Priamos, auf einer
Anzahl griechischer Vasendarstellungen vor uns. Es dünkt mir je-
doch, gegenüber einer Darstellung, wie sie unsere Orvietaner Frag-
mente vermuthen lassen, dass diese ursprüngliche Trennung den Vasen-
malern späterhin selbst nicht mehr scharf bewusst war: deutlich hat
Brygos auf unseren Fragmenten die Scene durch Andeutung der über
den Köpfen des Neoptolemos und des Priamos hinlaufenden Architektur
in die Burg des Königs hinein verlegt; dadurch wird die Vorstellung
von dem Herabschleudern des Knaben von den Zinnen der Burg noch
wesentlich erschwert.

Die Fragmente der Schale aus Orvieto lassen, ihrer Wölbung
nach, auf ein Gefäß schließen, welches mindestens den gleichen Um-
fang hatte, wie die erhaltene Pariser Iliupersis-Schale des Brygos; auch
hinsichtlich der Technik und der zeichnerischen Ausführung stehen
sie nicht hinter der Pariser Schale zurück. Die Möglichkeit, dass sich
noch weitere Fragmente zu den vorhandenen hinzufinden können, ist
nicht ganz ausgeschlossen.

Verschollen ist die von Klein Euphr. S. 163 unter nr. 3 aufge-
führte Schale, welche ebenfalls aus Orvieto stammte. Versuche, den
jetzigen Aufbewahrungsort des Gefäßes zu ermitteln, blieben resultatlos.

Auf der einen Außenseite war eine nur mit einem Mantel be-
kleidete Frau, die von einem bärtigen Krieger hinweg auf eine ionische
Säule zueilte, dargestellt. Hinter Ajax floh eine zweite, bekleidete
Frau nach rechts hin von dannen. Wir haben also hier eine, wie es
scheint, etwas verblasste Darstellung der Kassandra-Episodevor uns, deren
Vorhandensein bereits auf dem Außenstreifen Epiktetischcr Schalen
durch die in der Ephemeris abgebildete Scherbe von der Akropolis und
die eine der beiden Wiener Scherben bezeugt ist. Die andere Außen-
seite zeigte die Priamos-Episode: Neoptolemos stürmte, mit Schild und
Lanze bewaffnet, auf den Altar los, auf welchem Priamos die Rechte
 
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