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Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn — 19.1896

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Szántó, Emil: Zu den Tetralogien des Antiphon
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https://doi.org/10.11588/diglit.12266#0086
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76

Todes nicht in der Person, die den Angriff unternommen hat, zu suchen.
Es genügte daher, die Frage bei einem der drei Fälle zu behandeln.
Die Klagerede konnte sich hier in der Bestreitung dieses Einwandes
kurz fassen, weil ein Gesetz bestand, wonach dem Arzt tödtlich aus-
gehende Behandlung des Patienten nicht zugerechnet werden kann und
demnach behauptet werden konnte, dass der Arzt nicht der Urheber
des Todes sein könne. Folgerichtiger hätte eingewendet werden können,
dass die prima causa die Verwundung gewesen ist und der Arzt zur
Behandlung ohne diese gar nicht gekommen wäre.

Es wird also auch der Fall des sogenannten gerechtfertigten
Mordes, der entsprechend den bestehenden Gesetzen, die ihn vor ein
besonderes Forum verwiesen, besonders dargestellt werden musste, von
Antiphon mit Verwerfung der Annahme, dass es gerechtfertigte Tödtung
überhaupt gebe, so behandelt, dass die entscheidende Frage bleibt, wer
der Urheber des Todes ist. Die anderen Fälle der gerechtfertigten
Tödtung wie die des in flagranti ertappten Ehebrechers können natür-
lich ebenso behandelt werden. Man braucht bloss anzunehmen, dass der
getödtete Ehebrecher selbst die prima causa seines Todes durch den
Ehebruch gesetzt habe.

Die drei Tetralogien beabsichtigen demnach an der Hand dreier
typischer Fälle, die nach der Einthellung des geltenden Rechtes zu-
sammengestellt sind, eine Neuordnung der Sixat tpovaa( nach den Grund-
sätzen einer subtilen Rechtsphilosophie vorzuschlagen. Als massgebende
Grundsätze sind dabei aufgestellt:

1. Jede Tödtung erfordert ihre Sühne. Die Unterscheidung zwischen
gerechtfertigter und ungerechtfertigter Tödtung ist daher unstatthaft.

2. In jedem Falle ist nur der wirkliche Urheber des Todes, an
dem die Befleckung haftet, zur Verantwortung zu ziehen. Daher ist

3. bei vorsätzlichem Mord der Mörder zu eruieren;

4. bei unvorsätzlieher Tödtung diejenige Person zur Verantwortung
zu ziehen, deren Handlung den Tod herbeigeführt hat;

5. bei sogenanntem gerechtfertigtem Mord festzustellen, ob die Ur-
sache des Todes in der Handlung des Mörders oder des Ermordeten liegt.

Daher ist in den Fällen 4 und 5 freizusprechen, wenn der Causal-
nexus zwischen der Handlung des Beschuldigten und dem Tod nicht
anzunehmen ist, zu verurtheilen, wenn der Causalncxus besteht, ungeachtet
dessen, dass culpa nicht vorliegt. Es kann daher auch nach der von Anti-
phon vertretenen Theorie unter Umständen trotz zweifellos erfolgten Todt-
sehlages auf Freispruch erkannt werden, obgleich er den gerechtfertigten
Mord nicht anerkennt. Die Polemik gegen das geltende Recht, welche
in den Reden enthalten ist, richtet sieh also hauptsächlich dagegen,
 
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