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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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Stuhlfauth, Georg: Zur Baugeschichte der Katharinenkirche in Brandenburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0040

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ZUR BAUGESCHICHTE DER KATHARINENKIRCHE

IN BRANDENBURG

Von Georg Stuhlfauth, Berlin

Für die Frage nach der Zeitstellung des Neu-
Laues der Katharinenkirche in Brandenburg
a. H. ist grundlegend die mit ihm gleichzeitige
Inschrift an der Nordseite der Kirche, genauer
im Mittelpfeiler zwischen den beiden Portalen
an der Nordseite der Fronleichnamskapelle, die
so lautet: Anno domini 1401 constructa est haec
ecclesia in die assumpcionis mariae virginis per
magistrum hinricum brunsbergh de Stettin. Die
Jahreszahl 1401 nehmen die einen, so Kohte bei
Deliio im Handbuch der deutschen Kunstdenk-
mäler (siehe denselben auch Brandenburgia 40,
1932, 22), als das Jahr des Baubeginnes, die an-
deren, so Eichholz im Inventar der Kunstdenk-
mäler der Mark Brandenburg Bd. II, 3: Stadt
und Dom Brandenburg S. 59, als das Jahr des
Jiauabschlusses.

Ganz abgesehen davon, daß im letzteren Falle,
da die Bauarbeiten nicht vor 1395 in Angriff
genommen sein können, die Bauzeit 1395—1401
einen Rekord im mittelalterlichen Kirchenbau-
wesen darstellen würde, der bei einem so mäch-
tigen und aufwandreichen Bau wie der Katha-
rinenkirche durchaus einzig dastünde und völ-
lig unnormal wäre (beispielsweise hat dieMarien-
kirche in Prenzlau, die auch rasch gebaut wurde,
doch immerhin 15 Jahre beansprucht: 1325 bis
1340), läßt sich auch auf anderem Wege zeigen,
daß die Jahresangabe den Beginn und nicht die
Vollendung des Neubaues bezeichnet. Wir haben
nämlich eine zweite mittelalterlicheBauinschrift,
welche in derselben Weise wie die der Katha-
rinenkirche in Brandenburg a. H. die entschei-
dende Jahreszahl in Verbindung mit einem be-
stimmten Festtag enthält, ihre Jahreszahl aber
nur als Anfangsjahv des Neubaues — auch hier
handelt es sich um den Neubau an Stelle der
alten Kirche — gemeint sein lassen kann, das
ist die Bauinschrift an der südlichen Außen-
wand der Jakobikirche in Stendal. Diese besteht
aus folgenden sechs leoninischen Hexametern:
Post crist M tria ccc xl festo quoquo pasche1).
Construxit ninc2) me prouisor deneke noye.
Edificant qui me deus hiis da gaudia vite.
Qui petit hic ueniam xpi [christi] sentit sibi latam.
J) Das letzte Zeichen ist unerklärt, gehört nicht zum Vers.
2) Ein lateinisches Wort ninc gibt es nicht. Verschrei-
bung für nunc? hinc? oder wie sonst?

X duo cc milleque dies xnox suscipit ille.
Summa dedit sedes ut firmior ista sit edes.
—- Vgl. Tfl. 8 oben —; zu Deutsch:

Nach Christus 13401) und zwar am Osterfeste
Hat mich . . . (ninc?) Provisor Deneke Noye
entworfen.

Die mich bauen, diesen gib, o Gott, die Freuden
des Lebens.

Wer hier die Vergebung Christi sucht, fühlt sie
sich gebracht.

1210 Tage (Ablaß) empfängt der alsbald.
Der höchste Stuhl (der Papst) hat sie gegeben,
damit dieses Gotteshaus fester sei.

Das Gebet für die Bauleute (Zeile 3) sowie der
Hinweis auf den vom Papst bewilligten und aus
der Förderung des Baues zu gewinnenden Ablaß
(Zeile 4—6) machen es hier zweifellos, daß die
Inschrift und also auch die Jahreszahl 1340 am
Bauanfang und nicht am Bauende steht. Nun
ergibt aber ein Vergleich der Stendaler Inschrift
mit der Brandenburger Inschrift nicht bloß
dies, daß in Stendal der provisor (Kirchen-
pfleger) Deneke Noye zugleich als Subjekt des
construere, d. i. als Baumeister tätig gewesen
sein muß2), sondern auch dies, daß beiderseits
der Bauanfang bezeichnet ist durch das con-
struere der Kirche seitens des Baumeisters an
einem bestimmten Festtage: in Brandenburg
a. H. Mariae Himmelfahrt (15. August), in Sten-
dal Osterfest (16. April). Daß hier construere
im wörtlichen Sinne weder verstanden werden
kann als „erbauen" noch auch als „die Pläne
machen", ist klar; denn weder dieses noch jenes
ist an einem einzelnen Festtage ausführbar. So
muß dieses construere seitens des Baumeisters
an dem betreffenden Festtage einen bestimmten
Sinn haben, der einen bestimmtgearteten bau-
geschichtlichen Vorgang in sich begreift. Worin
dieser bestand und wie er sich abspielte (feier-
liche Darlegung des Entwurfes? Grundstein-
legung?), muß dahingestellt sein. Als gesichert
darf jedenfalls gelten, daß dem genannten Tage
des genannten Jahres die Ausführung des
Kirchenbaues erst folgte, nicht voranging.

') 1340 statt früher 1311 hat zuerst Frl. Dr. Schürenberg
richtig gelesen.

2) So richtig erklärt von Herrn Gewerberat i. R. Kuchen-
buch in Stendal, Brief vom 8. 11. 1931.

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