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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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Nr. 1
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Rave, Paul Ortwin: Die Mariakirche zu Bergen: ein Beitrag zur Baugeschichte des Mittelalters in Norwegen
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0042
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Eine solche scheint auch in und um Bergen be-
standen zu haben. Nach den Sagen wurde Ber-
gen von König Olaf Kyrre im Jahre 1070 ge-
gründet, was wohl bedeutet, daß er eine ältere
Siedlung am Strand mit Stadtrechten versah,
ähnlich wie Olaf Tryggveson früher Nidaros
und Harald in Oslo eine Kaufstadt neben dem
Königshof angelegt hatten. Der Platz war wich-
tig genug und ausgezeichnet durch seine Lage,
da er einen weiten Hafen bot, geschützt durch
Schären und nord- wie südwärts mit dem offe-
nen Meere in Verbindung. Wichtiger noch war
es, daß der König das Bistum von Selje, dem
heiligen Eiland der Sunnifa, in die Stadt ver-
legte.

Der Dom, der damals sogleich begonnen, aber
erst etwa hundert Jahre später vollendet wurde,
ist nicht erhalten. Er wurde in der Reforma-
tionszeit zerstört, seine Grundmauern sind 1929
in der Nähe von Bergenshus, der alten Königs-
burg, ausgegraben. Neben der steinernen Christ-
kirche errichtete der König als einstweilige
Bischofskirche noch eine kleinere Christkirche
aus Holz, eine der in Norwegen häufigen Stab-
kirchen, von der aber nichts erhalten blieb.
Außer diesen entstanden in romanischer Zeit
noch andere in Bergen. Olav Kyrres Enkel Ey-
stein nämlich verlegte den Königshof nach Ber-
gen und führte eine große prächtige Holzhalle
auf in Verbindung mit einer königlichen Ka-
pelle, den Heiligen Aposteln geweiht, auch das
Holz, kurz nach 1100, und gleichzeitig damit
noch eine Klosterkirche St. Michael. Auch hier-
von kennen wir den Grundriß: eine für die
frühesten Zeiten im Norden bezeichnende An-
lage mit einem einzigen Schiff, mit einem West-
turm und einem angefügten Chorhaus, hier rund
geschlossen, oft auch rechteckig.

Es ist ungewiß, ob noch unter König Eystein
(1102—1122) oder unter seinem Nachfolger die
Mariakirche begonnen wurde, die heute noch
steht und so die älteste erhaltene Kirche in Ber-
gen und eine der ältesten in Norwegen über-
haupt ist. Sagen umspielen die Gründung: Zwei
Schwestern hätten die Kirche gestiftet, und aus-
geführt sei der Bau von den Deutschen. Mag in
dergleichen Überlieferungen auch ein wahrer
Kern stecken, so soll doch gleich angemerkt
werden, daß die jetzige Bezeichnung der Kirche
als Deutsche Kirche erst seit dem späteren
Mittelalter üblich wurde, als die Hansa ihre
Niederlassungen an der Hauptmole des Hafens

errichtete, und daß daher, wie die Häuserreihe
dort Tyskebrygge, so die hier liegende deutsche
Pfarrkirche heute noch im Volk Tyskekirke
heißt (vgl. die Abb. gegenüber und Tafel 8,
unten).

Zum erstenmal in den Quellenschriften erwähnt
wird die Kirche 1183. Als am 10. August 1198
Feuer ausbrach in Bergen, wurde nebst fünf an-
deren Kirchen auch die Mariakirche davon er-
griffen und erlitt großen Schaden. Damals muß
ein Umbau erfolgt sein, auf den wir später zu
sprechen kommen. Von einem anderen großen
Brande hören wir im Jahre 1248 unter König
Haakon Haakonsen. Infolge dieses letzten Bran-
des wurde der Chor vergrößert ausgebaut. Das
Chorquadrat aus älterer Zeit wurde verdoppelt,
so daß dieser Bauteil, in frühgotischen Formen
anglo-normannischen Gepräges, nun wie ein et-
was übermäßig gestrecktes Anhängsel wirkt.
Abgesehen davon haben wir es bei der Maria-
kirche mit einer Anlage des 12. Jahrhunderts zu
tun. Es ist eine dreischiffige Basilika von ge-
drungenen Abmessungen. Wir zählen vier Joche
im Langschiff, dessen innere Länge genau der
äußeren Breite der Westseite sowie der First-
höhe entspricht: ein schönes Beispiel für die
Neigung zu gesetzmäßiger Verhältnisklarheit im
hohen Mittelalter. Aber durch mehrere Eigen-
tümlichkeiten zeichnet sich die Kirche vor allen
anderen im Lande aus und steht, innerhalb des
erhaltenen Denkmälerbestandes und für den
heutigen Blick, durchaus vereinzelt da.

Etwas besonderes für die norwegische Kunst-
geschichte bedeutet es zunächst, daß die Kirche
zwei Westtürme hat. Mögen nach den scharf-
sinnigen Untersuchungen der norwegischen For-
scher diese Türme auch etwas später als das
Schiff aufgeführt sein, da sie nicht in Werkstein
wie dieses gebaut seien und nicht im Mauer-
verband mit den Schiffswänden ständen, so
müssen sie doch im Zusammenhang mit dem
übrigen geplant und nur kurze Zeit später in
Angriff genommen sein. Ihre Form als ungeglie-
derte vierschrötige Klötze weist sie sicher ins
12. Jahrhundert. Einige spitzbogige Fenster
können von der Wiederherstellung nach dem
Brand von 1248 herrühren. Der baufällig ge-
wordene Südturm wurde übrigens 1876 in den
alten Formen wieder aufgebaut. Mehr als einen
Turm weisen sonst in Norwegen nur die Kathe-
dralen auf, nie eine Pfarrkirche. Eine Gruppe
kleiner schlichter basilikaler Anlagen der Friih-

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