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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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Mitteilungen und Berichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0048
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insbesondere die klaren, leicht gezeichneten
Perspektiven, stammen von der Hand R. Kol-
deweys selbst, das übrige von seinen Mitarbei-
tern, insbesondere von F. Wetzel. W.Andrae

PREUSSISCHE BAUKUNST IM BAUMUSEUM
ZU BERLIN. Am 7. Dezember 1932 wurde im
Bau- und Verkehrsmuseum zu Berlin durch Mi-
nister Popitz eine Ausstellung der Preußischen
Staats-Hochbau-Yerwaltung „Preußische Bau-
kunst aus der Zeit vor und nach Schinkel" er-
öffnet. Zur Ausstellung gelangen etwa 150 Blatt
Bauentwürfe, die überwiegend den reichen Ar-
chiven der Hochbau-Verwaltung selbst entnom-
men sind. Die frühesten Entwürfe stammen
noch von dem durch Friedrich II. geschaffenen
Oberbaudepartement und sind für des großen
Königs innenkolonisatorische Siedlungsbauten
usw. und die damit verbundenen Typisierungs-
Bestrebungen überaus bezeichnend. Sie sind
neuerdings in erster Linie bekannt geworden
durch die Arbeit von Waldemar Kuhn, Klein-
siedlungen aus friderizianischer Zeit (Stuttgart
1918, Verlag Meyer-Ilschen), und andere Pu-
blikationen. Eine Überraschung ist dagegen die
Wiederauffindung des Holzniodells von Hein-
rich Gentz' Münzgebäude zu Berlin, 1798/1800
erbaut, 1886 abgerissen, das um so wertvoller ist,
als es auch einen guten Einblick in das Gebäude-
Innere ermöglicht. Aus dem gleichen Jahrzehnt
stammt der berühmte Entwurf Friedrich Gilly's
für das Denkmal Friedrich des Großen auf dem
Potsdamer Platz zu Berlin. Kurz nach der Jahr-
hundertwende fand dann die Umorganisation
des friderizianischen Oberbaudepartements zur
Ober-Bau-Deputation statt, zu deren archiva-
lisch festgestellten Geschichte die No. 130 des
bibliographischen Verzeichnisses in diesem
Hefte verglichen werden mag. Am 15. Mai 1810
tritt Schinkel in diese Behörde ein (1. c., S. 17)
und wird 1830 ihr Leiter. Doch zeigt die Aus-
stellung von Schinkel selbst nur wenige ausge-
wählte Blätter, da eine Fülle seiner Arbeiten
seit dem J ahre 1931 zum Schinkel-Museum in der
Nationalgalerie (Kronprinzenpalais, Berlin) ver-
einigt sind. Um so mehr Gewicht ist auf die
Mitarbeiter und Nachfolger Schinkels gelegt,
unter denen neben bekannten Werken von Stü-
ler und Persius auch halbvergessene Entwürfe
von Baubeamten wie Matthias, Severin, Soller
und vor allem Busse gezeigt werden. Den zeit-
lichen Abschluß der Schau bildet ein Entwurf
für die Trinkhalle in Bad Ems von Flaminius
(1869), in denen die klassizistisch-preußische
Tradition schon verlassen ist und die wie eine
Architektur-Vedute aus einem Makart-Gemälde
wirkt.

Die ungewöhnlich anregende und aufschluß-
reiche Schau rückt vor allem die Frage nach
den inneren Beziehungen zwischen der bau-
künstlerischen Problemstellung jener Zeit und
den Fragen heutiger Baugestaltung in den Vor-
dergrund. Solche Beziehungen sind zweifellos
vorhanden und beschränken sich nicht lediglich
auf verwandte Stimmungen, wie sie Kießling im
Zentralblatt der Bauverwaltung, Berlin 1932,
II. 53, S. 625 ff., mit Recht hervorhebt; sie sind
m. E. tiefer begründet in den tastenden Ver-
suchen gerade der in Rede stehenden Zeit, von
dem formalen Eklektizismus freizukommen, und
in allem Ernste konstruktive und „technosta-
tische" Gesichtspunkte für das Baugestalten zu
gewinnen. Ohne auf die Fülle der damit aufge-
wirbelten Fragen hier eingehen zu können, sei
an die 1828 erschienene Schrift von Heinrich
Hübsch in Karlsruhe erinnert, der unter dem
Titel: In welchem Style sollen wir bauen? dem
Klassizismus eine ebenso entschiedene Absage
erteilt wie der Neuerweckung des altdeutschen
Stiles, und beides mit konstruktiven Erwägungen
begründet, was entscheidend ist für die Be-
ziehung dieser Schrift zu heutigen Strömungen.
Von Interesse ist ferner, daß 1832 einer der
nächsten Mitarbeiter Schinkels, sein Adlatus
Carl August Menzel, in seinem „Versuch einer
Darstellung des jetzigen Zustandes der Baukunst
in ästhetischer Hinsicht" ganz verwandte Gedan-
ken, wenn auch mit gringerer Folgerichtigkeit,
zum Ausdruck bringt.

Aus der Literatur der Gegenwart seien zum tiefe-
ren Eindringen in diese Fragen erwähnt: Er-
stens, P. O. Rave, Das Schinkel-Museum, Berlin
1931; dieser amtliche Führer der Nationalgalerie
bietet mehr als eine bloße Katalogisierung.
Zweitens, Wolfgang Herrmann, Deutsche Bau-
kunst des 19. und 20. Jahrhunderts (Nr. 102 des
bibl. Verz. dies. Heftes), als eine Schrift, der
trotz Rücksicht auf größere Leserkreise selb-
ständiger Wert zugestanden werden muß. Drit-
tens, F. Landsberger, Kunst der Goethezeit,
Leipzig 1931, namentlich wegen des von ihm ge-
prägten Begriffes des „Gotizismus" in der Zeit
von 1750—1830.

Für das Problem aber, das mir eine besondere
Bedeutung gerade für die in der Ausstellung be-
handelte Zeit von 1770—1870 zu besitzen
scheint, nämlich das Problem der Veränderung
der materiellen Kultur und damit auch der
Kunst durch die Industrialisierung und deren
zeitlich verschiedene Abfolge in den Staaten
Europas wüßte ich eine erschöpfende Darstel-
lung kunstwissenschaftlicher Art nicht zu nen-
nen. Sie bleibt vorerst eine Aufgabe der Zu-
kunft, die in verstärktem Maße angeregt zu haben

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