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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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Nr. 2
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Martiny, Günter: Zur astronomischen Orientation altmesopotamischer Tempel
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Hölscher, Uvo: Eine ägyptische Ziersäule
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0063

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W ort der Zeile 33 fehlt, so ist doch das Bruch-
stück ein positives Schriftdokument der astrono-
mischen Tempel-Einrichtung.

Ich glaube nicht fehl zu gehen in der Annahme,
daß der nun vorliegende Einmessungskreis mit

Grad- und Jahresskala, Abb. 4, an Stelle des
Teilkreises KiM, Taf. 15b, genau genug ist, um
als Datierungsmittel für die Kultbauten im alten
Mesopotamien wichtige Dienste zu leisten und
somit der historischen Wissenschaft zu dienen.

Günter Martiny

EINE ÄGYPTISCHE ZIERSÄULE

Vo n U v o Hölscher, Hannover

Bei den letzt jährigen Ausgrabungen des Oriental
Institutes der Universität Chicago1) wurde eine
Säulenform gefunden, die ich den Fachgenossen
zur Kenntnis bringe -— vgl. Tafel 9. Die Säule
stammt aus dem westlichen „Hohen Tore" von
Medinet Habu auf der Westseite von Theben,
erbaut von Ramses III (1198—1167 v. Chr.).
Es ist eine Halbsäule von 1,10 m Höhe, be-
stehend aus weißem, feinem Kalkstein. Sie —
und ein zweites spiegelbildlich gleiches Exem-
plar —- standen einstmals in einem ziegelgewölb-
ten Räume des Obergeschosses und dienten als
Umrahmung einer Nische, deren Breite und
Tiefe aber nicht genau festgestellt werden konnte.
Ebensowenig wissen wir, welche Bedeutung diese
Nische gehabt hat. Aus den Resten der Wand-
darstellungen ist nur zu entnehmen, daß die
Obergeschoßräume des Hohen Tores dem König
und den Mädchen des Harems zum gelegent-
lichen Aufenthalt gedient haben.
Der Säulenschaft besteht aus einer größeren
Anzahl runder Stengel und ist abwechselnd blau
und grün bemalt. Am unteren Ende jedes Sten-
gels ist je ein Fußblatt aufgemalt, grün mit
rotem Kontur. Diese Stengel sind am oberen
Ende durch Riemen zusammengeschnürt. Und
mit eingebunden sind kürzere Stengelchen,
welche von den Riemen wie eine Halskrause
herabhängen. Das Kapitäl zeigt abwechselnd
große grüne Kelchblätter und weiße Lotus-
blüten (Nyinphaea lotus). Wir haben hier also
eine Lotus-Bündelsäule mit geöffnetem Kapitäl.
Aus diesem Pflanzenbündel schießt in der Mitte
ein etwas dünnerer Schaft empor, der von einem
offenen Doldenkapitäl der Papyrusstaude ge-
krönt ist. Auch hier müssen wir uns den nicht
sichtbaren Schaft als ein Bündel denken, von
dem nur die obere Riemenverschnürung in die
Erscheinung tritt. Das Kapitäl ladet kelchförmig
aus. Hinter den kleineren Kelchblättern ragen

*) Es wird hingewiesen auf die vorläufigen Berichte in
Oriental Institute Communications No. 5, 7, 10 und lo,
University of Chicago Press. — Vgl. Büdierschau d. Heftes.

die rot gezeichneten dünnen Stengelchen der
Blütendolde auf.

Aus dem Papyrusbündel steigt endlich ein
schlanker Schaft auf, der als Kapitäl eine Lilien-
blüte, die charakteristische Pflanze des ägyp-
tischen Südens, trägt. Auch hier wieder kleinere
Kelchblätter; dann steigen kräftige, nach bei-
den Seiten spiralig aufgerollte Blütenblätter
auf, die blau gemalt sind. Aus den Zwickelu
hängen dann blau und rot gemalte Fransen her-
ab. Diese Lilienkapitäle sind Prototypen der
späteren äolisch-ionischen Yolutenkapitäle.

Über den Säulen hat ein hölzerner Balken als
Überdeckung der Nische gelegen. Er war aber
anscheinend überputzt, also nicht sichtbar.
Jedenfalls hat er nicht als lastender Teil die
Form der Kapitäle bestimmt. Der Ausdruck von
Tragen und Lasten liegt der ägyptischen Kunst-
sprache noch vollständig fern. Jedes Kapitäl
zeigt eine freie Endigung, einerlei welche Last
auch in Wirklichkeit darauf ruht.

Allerlei dekorativer Zierrat ist noch hinzu-
gefügt. So sitzen auf den Lotusblüten des unte-
ren Kapitäls zwei Uräusschlangen, die sich maje-
stätisch aufrichten, den Hals blähen und auf
dem Kopfe goldgelbe Somienscheiben tragen.
Ganz im Gegensatz zu dieser kräftig ausgebilde-
ten Bündelsäule steht an der Kante der Nische
eine ganz schlanke Säule, ein einzelner Papy-
russtengel mit dem geöffneten Doldenkapitäl.
Darauf wieder ein großer Uräus, dessen langer
Leib sich um den Säulenschaft herunter windet.
(Erklärlich wird das Motiv, wenn man beobach-
tet, wie Kobras gern in Stauden, z.B. auf Tomaten-
pflanzen steigen, um sich zu sonnen!)

Beispiele derartiger spielerischer Säulenbildun-
gen kennen wir schon aus gewissen Wand-
bildern in zeitgenössischen Gräbern. Man war
bislang geneigt, sie als Ausgeburten der unge-
zügelten Phantasie eines Malers zu halten. Hier
zum ersten Male sehen wir sie auch in Plastik
und lernen sie aus der Idee des Blumenbündels
heraus verstehen. Vvo Hölscher

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