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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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Nr. 3
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Simon, Karl: Der mittelalterliche Profanbau Deutschlands und seine Bedeutung für die Geistesgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0105

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Nun vollzieht sich aber gerade auf ihrem Ge-
biete um die Mitte des 12. Jahrhunderts ein
Umschwung. Neben die kirchliche Baukunst tritt
in immer steigendem Maße die profane. Welt-
liche Bauten hat es natürlich auch schon früher
auf deutschem Boden gegeben, wobei wir ganz
absehen wollen von den karolingischen Pfalzen
in Aachen und Ingelheim, die durchaus noch der
antiken Tradition angehören. In der darauffol-
genden Zeit werden sich die weltlichen Bauten
nicht viel über den reinen Nutzbau erhoben
haben, aufgeführt, wenn überhaupt in Stein, so
in Bruchsteinmauerwerk, aber oft in Verbin-
dung mit Holz und Fachwerk. Wenn wir von
einer in Stein aufgeführten und mit Wandmale-
reien geschmückten Pfalz Heinrichs I. in Merse-
burg hören, so wird sie wohl schon eine Aus-
nahme dargestellt haben. Schutz und Sicherheit
werden der ausschlaggebende Gesichtspunkt bei
der Errichtung weltlicher Bauten dieser Zeit
gewesen sein.

Seit etwa 1150 ersteht nun eine ganze Reihe
prunkvoller Pfalzbauten, dicht aufeinander fol-
gend, die über das unmittelbare Bedürfnis weit
hinausgehen. An erster Stelle seien genannt die
kaiserlichen Pfalzen Eger, Kaiserswerth, Goslar
(auf dem Grunde einer Anlage schon des
11. Jahrhunderts), Nimwegen (Erneuerung einer
karolingischen Anlage), Gelnhausen, Seligenstadt,
Wimpfen und die nicht erhaltenen in Hagenau
im Elsaß und Kaiserslautern in der Pfalz1).
Von nicht-kaiserlichen Bauten seien erwähnt die
Burg Dankwarderode, die Residenz Heinrichs
des Löwen in Braunschweig, die Wartburg bei
Eisenach, Münzenberg in der Wetterau, Wilden-
burg im Odenwald, von anderen zahlreichen An-
lagen, besonders burgmäßigen Charakters 'zu
schweigen. Das Material ist Stein, Quader, oft
weißer oder roter Sandstein, nicht selten Buckel-
quader, sorgfältig behauen, durchaus Anspruch
auf Monumentalität erhebend.

') Es darf dabei auf meine „Studien zum romanischen
Wohnbau in Deutschland" (Stud. z. dtsch. Kunstgesch.,
H. 36, Straßburg 1902) verwiesen werden, in denen hier
vorgetragene Anschauungen zum großen Teil schon keim-
haft angelegt waren. Zu den wichtigsten einschlägigen,
seitdem erschienenen Arbeiten gehören: 0. Stiehl, Der
Wohnbau des Mittelalters. Leipzig 1908. (Handb. d.
Arch., Tl. 2, Bd. 4, H. 2.) — Swoboda, Römische und
romanische Paläste. Wien 1919; 2. Aufl. Wien 1924. —
U. Hölscher, Die Kaiserpfalz Goslar. Berlin 1927.
(Deutsche Kaiserpfalzen I.) — Die Veröffentlichung der
Pfalzen in Eger (durch O. Schürer) und Gelnhausen
(durch Nothnagel) steht wohl nahe bevor.

Als Bauherren treten besonders Angehörige des
staufischen Kreises hervor. Die Landgrafen von
Thüringen, die Erbauer der Wartburg, sind mit
Barbarossa verschwägert; auf den Reichserb-
kämmerer des Kaisers, Kuno von Münzenberg,
geht die gleichnamige Burg in der Wetterau zu-
rück. Rainald von Dassel, der große Ratgeber
des Kaisers und Erzbischof von Köln hat sich
dort einen glanzvollen Palast errichtet, der lei-
der nur in einer späten Abbildung auf uns ge-
kommen ist.

Und nun endlich Barbarossa selbst! Auf ihn
gehen sämtliche eben erwähnten kaiserlichen
Pfalzen zurück, mit Ausnahme von Goslar (die
wohl erst unter Heinrich VI. erbaut wurde),
Seligenstadt und Wimpfen, wenn nur die bedeu-
tendsten genannt werden sollen. Dagegen ist von
einer irgendwie erheblicheren Tätigkeit für den
Kirchenbau bei ihm nicht die Rede. Wo er aber
irgendwie dazu beisteuert, da läßt er Inschriften
anbringen, die dies vermelden; vor allem ge-
schieht das aber auch bei den Pfalzenbauten. So
in Kaiserswerth, in Nimwegen, wo er sich kühn
neben Cäsar, den Gründer der ersten Anlage, ja,
über ihn stellt. Das sind Zeichen eines Ruhm-
sinnes, der bis dahin nicht erhört war.
Interessant, aber nicht wunderbar, sondern be-
zeichnend für die Mächtigkeit der allgemeinen
Strömung ist, daß Barbarossa's großer Gegen-
spieler, Heinrich der Löwe, von der gleichen
Tendenz beseelt ist; nur so ist das machtvolle
und unvergleichliche „redende" Denkmal des
Löwen aus Erz vor der Pfalz Dankwarderode in
Braunschweig zu erklären, das, ohne jede In-
schrift gelassen, doch unmißverständlich den
Ruhm des Herzogs kündet. Auch bei den zahl-
reichen Kunstwerken, die auf seine Veranlas-
sung entstehen, den Reliquiaren, Buchmalereien
usw. sorgt er nicht selten dafür, daß der Stifter
auf oder in ihnen genannt wird. Selbst Einzel-
heiten werden unter Umständen so ausgewählt,
daß sie dem Ruhm seiner königlichen Vorfah-
ren und seines Geschlechtes dienen1). Er dünkt
sichdarin nicht weniger als Friedrich Barbarossa,
ja, es scheint, als ob das Löwendenkmal errichtet
worden ist — nicht ohne Absicht —■ kurz nach
der durch den Kaiser erfolgten Heiligsprechung
Karls des Großen, als dessen Nachfolger in be-
sonderem Sinne sich Barbarossa betrachtete.

') S. G. Swarzenski, Aus dem Kunstkreis Heinrichs des
Löwen. Städeijahrbuch Bd. VII/VIII, 1932, S. 346 und
Anm. 189. S. 373 f.

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