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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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Nr. 3
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Meckel, Carl Anton: Die Konstruktion der figurierten Gewölbe in der deutschen Spätgotik
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0129

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Er zeigt ebenso wie der Mittelteil de3 unteren
Systemes geschweifte Rippen und ist mit seit-
lich angesetztem, sich aus dem Rippenprofil ent-
wickelnden Maßwerk geziert. In der St. Leon-
hardkirche zu Frankfurt am Main sind im nörd-
lichen Seitenschiff übereinandergelegte Reihun-
gen zu finden. Das originellste Gewölbe ist das
im St. Salvatoris-Chörlein daselbst, das in Fi-
gur 23 in Grundriß und perspektivischer An-
sicht dargestellt ist. An die Fertigkeit des Stein-
metzen bzw. des Werkmeisters stellten solche
Gewölbe sehr hohe Anforderungen, namentlich
wenn sie über so unregelmäßigem Grundriß wie
im St. Salvatoris-Chörlein errichtet wurden. Hier
ist auch noch ein vom oberen Rippensystem
herabhängender Schlußstein, auf welchen sich
die Diagonalrippen des unteren Systemes auf
einer Konsole aufstützen, angeordnet. Das Ganze
ist von einer Zierlichkeit und Leichtigkeit der
Komposition, daß man dem alten Meister hohe
Anerkennung zollen muß und gegenüber sol-
chem im besten Sinne kunsthandwerklichen
Können muß das leichte Gerede über „unange-
brachte Spielerei" verstummen. Es ist außer-
ordentlich einfach, sich über Dinge, die man
nicht begreifen, geschweige denn selbst ausden-
ken oder konstruieren kann, mit dem Gerede
der Spielerei hinwegzusetzen. Man könnte
schließlich mit demselben Recht jede über das
durchaus gebotene Maß hinausgehende Kompo-
sition als Spielerei abtun und käme dann auf
den bis in die jüngste Zeit so beliebt gewesenen
Standpunkt der absoluten Sachlichkeit. Dehios
Urteil im „Handbuch", „Schaustück für stau-
nende Laien", möchte ich in „Lehrbeispiel für
staunende Fachleute" umändern!

Ebenfalls in der St. Leonhardkirche zu Frank-
furt am Main findet sich ein sehr schönes, vor-
züglich konstruiertes Chorgewölbe, nach den
Wappen in den Schlußsteinen eine Stiftung der
Herren von Holzhausen. In diesem Chorgewölbe
(Tafel 23, Abb. 18) führen die Diagonalrippen
a, b, c über zwei Gewölbejoche hinweg. Sie sind
aus dem Rundbogen konstruiert. Für den im
halben Sechseck geschlossenen Chor hätten sich
lür die Rippenanschnitte in den Ecken des
Chorschlusses sehr hochliegende und flache
Ansätze ergeben, wenn man nach dem zuletzt
besprochenen Prinzipalbogensystem die Rippen
vom Scheitel nach den Diensten hätte fallen
lassen. Es ist in diesem Falle von beiden Prinzi-
palbogensystemen abgewichen worden und die

Rippenstrecken b'—d und b'—e—d' sind aus be-
sonderen Bogen konstruiert, wobei man den
Kämpfer der Strecke b'—e—d' bei d' etwas
gegenüber dem Kämpfer der Strecke d—b' er-
höht hat. Diese letztere Anordnung ist lediglich
des guten Aussehens wegen getroffen worden.
Dagegen war die Wahl besonderer Bogen für
die Strecken d—b' und d'—e—b' aus konstruk-
tiven Gründen erwünscht, weil bei der Konstruk-
tion nach dem vom Scheitel herabfallenden Prin-
zipalbogensystem, wie erwähnt, die Rippenan-
schnitte sehr flach und damit die Wölbung der
Kappen unsicher geworden wäre. Hätte man die
Strecke d—b' und d'—e—b' aber mit dem Ra-
dius des Prinzipalbogens nach der vom Kämp-
fer ansteigenden Manier konstruiert, so wären
gegenüber dem Rundbogen des Diagonalbogens
sehr steil ansteigende Spitzbogen entstanden,
die im Scheitel ungünstig wirkende Knicke ver-
ursacht hätten. Das für den Chorschluß ge-
wählte System aus besonderen Bogen hat man
dann auch folgerichtig für die übrigen Gewölbe-
anfänger beibehalten und es entstand daher eine
ähnliche Wirkung des Gewölbes wie das nach
dem Prinzipalbogen konstruierte Gewölbe in
Tafel 22. Abb. 16, d. h. die Kappen der Diago-
nalrippen steigen senkrecht über dem Profil auf
und verschneiden sich erst hoch über dem
Kämpfer dieser Diagonalrippen mit den Kap-
penansätzen der auf den Kämpferhöhen d—d'
ansetzenden Gurt- und Sternrippen, die sich
aber im Gegensatz zu den entsprechenden Rip-
pen in Tafel 22, Abb. 16, infolge ihrer besonde-
ren Bogenkonstruktion tangential entwickeln.
Das Gewölbe ist von außerordentlich feiner und
harmonischer Wirkung und eines der schönsten
nach diesem zusammengesetzten Konstruktions-
system.

Abb. 21 der Tafel 23 gibt die Darstellung eines
Gewölbes mit gewundenen Rippen. Diese im
Ausgang der Spätgotik beliebte Gewölbebildung
findet sich an zahlreichen Orten Deutschlands,
teils vereinzelt, teils über ganze Kirchengewölbe-
flächen ausgedehnt. So sind die Gewölbe im
Mittelschiff der Pfarrkirche zu Wimpfen am
Berg mit gewundenen Reihungen versehen, die
sich allerdings gegen die Wand hin auf gerade
Rippenstücke abstützen. Die St. Annenkirche
in Annaberg in Sachsen ist ganz mit gewunde-
nen Reihungen eingewölbt, die in den Ecken
des Chorschlusses sehr hoch anschneiden und
damit den Übelstand aufweisen, dem der Mei-

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