zur Seite, — sind heute abgeräumt, und obenauf
ist jetzt ein kleiner Turmaufbau mit einer
Glocke darin. Die Beschreibung bei Goethe setzt
irrtümlich die Riesen in das Innere der Halle
dieses achteckigen Torbaues.
Von ihm führt dann ein langer, ziemlich breiter
Viale zum Schloßeingang und erweitert sich hin-
ter dem Tor und vor dem zweiten Portal zum
Rund. Aber er ist vollkommen in seiner von
Goethe gesehenen Plastikwelt zerstört. Und die
Mauern muß man sich mühsam aus einigen alten
Stücken wieder herzustellen suchen. Sonst sind
sie durchaus verbaut, erhöht und auf einer Seite
durch niedrige Bauernhäuser ersetzt.
Ursprünglich war die Umfassung des 450 Ellen
langen Viale so angeordnet, daß sie in geringer
Höhe, unten mit einem kräftigen Wulst am
Sockel versehen, lang dahinzog und in ziem-
lichen Abständen (15 Ellen) hohe Postamente,
mit Barocklinien belebt, aufwies, die bis 15 Fuß
in die Höhe geführte, wildbewegte Figuren-
gruppen trugen. Es hätten danach etwa auf je-
der Seite des Viale 25 bis 30 derartige große
Gruppengebilde gestanden, die bis zu vier Meter
in die Höhe reichten, und auf den Zwischen-
stücken der Bailustrade wären zu dieser schon
überreichen Auszierung noch je 80 bis 90 Vasen
hinzugekommen. Diese niedrigeren Mauerflächen
der Bailustrade waren dazu noch durch Öffnun-
gen in reichem Barockumriß belebt, durch wel-
che der Blick in die grünenden und blühenden
Fruchtgärten der Villa, in die Landschaft der
Bagheria und auf das Meer schweifen konnte.
Je drei vasenartige Gebilde in lebendigster Ver-
schnörkelung ragten auf niedrigen Postamenten
über diesen breiten, durchbrochenen Ballustra-
denstücken in all ihrer exzentrischen Phantasie
auf. Das ganze muß, namentlich in diesen gewal-
tigen Höhen- und Längendimensionen, mit sei-
nen Durchblicken und dem Abheben der zer-
fetzten Silhouetten, besonders der hochhinan-
steigenden Figurengruppen vor der Bläue des
Himmels, architektonisch einen nicht unbedeu-
tenden Eindruck im Sinne des Barocks abgege-
ben haben (Taf. 25b), wenn man nicht am Detail
haften blieb, woran auch ein richtiger, aus der
Barockzeit kommender Besucher kaum den An-
stand genommen hätte, wie die im Sinne des
Klassizismus und der Antike groß gewordenen
und denkenden Reisenden des ausgehenden J alir-
hunderts. Im Gegenteil, durch diese Triumph-
avenu barocken Denkens, durch diese Galerie
der Unwirklichkeiten gewissermaßen spießruten-
laufend, sollte er erst auf das Schloß, auf das
„Haus der Laune", vorbereitet werden, worin
dem Nonsens ein Heim bereitet war.
Hören wir vorerst, was ein, wenn auch schon im
Sinne des westlichen Klassizismus und seiner
edlen Einfachheit befangener Reisender von
Stand, der Comte de Borch 1777 über diese
Barockschöpfung zu sagen hat:
„Der Prinz Palagonia lies vorne nach der Länge
des Gebäudes eine doppelte Mauer mit einem
Geländer aufführen, auf welches er Figuren auf-
stellen lies, die aus einem Muscheltopf bestehen,
und tausenderley abentheuerliche Dinge vorstel-
len. Bald sieht man eine weibliche Figur mit
einem Pferdskopf, die an einem Putztisch sitzt
und mit Menschenfiguren, die auf eine unge-
heure Art mit allerley Thierköpfen entstellt
sind, umgeben ist. Bald glaubt man die Entfüh-
rung der Europa unter den lächerlichsten Bil-
dern zu sehen, und die abenteuerlichen Gedan-
ken des Prinzen giengen bisweilen so weit, daß
er einer Figur sogar vier Köpfe aufsetzen lies.
Man sieht hier überhaupt alles, was Ovids Ver-
wandlungen und die verwirrteste Einbildungs-
kraft in dieser Art Wunderbares haben herfür-
bringen können, miteinander vereinigt, und wenn
der Cardinal von Este sich beym Ariost über den
großen Reichtum und die Leichtigkeit seiner
Gedanken verwundert hat, was würde er nicht
gesagt haben, wenn er einen Blick auf diese Un-
geheuer geworfen hätte?"
Bei all diesen barocken Gedankengängen, dem
absichtlichen Widersinn, aus dem heraus diese
Plastiken geschaffen waren, tritt also auch der
Zug deutlich hervor, sich über die Antike lustig
zu machen, was allein einem Klassizisten des
ausgehenden 18. Jahrhunderts das Blut in den
Kopf getrieben haben muß.
Aber das alles war von tausenderlei andern
eigenartigen Ideen umrankt und, wenn auch
Europa mit einem Raubtierkopf, die Rute oder
gar das Blitzbündel des Donnerers schwingend,
ihren Jupiter als Stier zugleich anzutreiben und
zu zähmen schien, den wieder ein affenartiges
Ungeheuer mit einem Hasenkopf am Schwanz
von diesem galanten Abenteuer zurückzuhalten
suchte, wenn sich auf einem anderen Postament
die Jagd der Diana und Verwandlung des Ak-
täon in ähnlich groteske Form vollzog, Harlekins
von Schlangen umwunden, auf die Laokoonsage
deuteten, Achill und Chiron von Pulcinellen um-
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ist jetzt ein kleiner Turmaufbau mit einer
Glocke darin. Die Beschreibung bei Goethe setzt
irrtümlich die Riesen in das Innere der Halle
dieses achteckigen Torbaues.
Von ihm führt dann ein langer, ziemlich breiter
Viale zum Schloßeingang und erweitert sich hin-
ter dem Tor und vor dem zweiten Portal zum
Rund. Aber er ist vollkommen in seiner von
Goethe gesehenen Plastikwelt zerstört. Und die
Mauern muß man sich mühsam aus einigen alten
Stücken wieder herzustellen suchen. Sonst sind
sie durchaus verbaut, erhöht und auf einer Seite
durch niedrige Bauernhäuser ersetzt.
Ursprünglich war die Umfassung des 450 Ellen
langen Viale so angeordnet, daß sie in geringer
Höhe, unten mit einem kräftigen Wulst am
Sockel versehen, lang dahinzog und in ziem-
lichen Abständen (15 Ellen) hohe Postamente,
mit Barocklinien belebt, aufwies, die bis 15 Fuß
in die Höhe geführte, wildbewegte Figuren-
gruppen trugen. Es hätten danach etwa auf je-
der Seite des Viale 25 bis 30 derartige große
Gruppengebilde gestanden, die bis zu vier Meter
in die Höhe reichten, und auf den Zwischen-
stücken der Bailustrade wären zu dieser schon
überreichen Auszierung noch je 80 bis 90 Vasen
hinzugekommen. Diese niedrigeren Mauerflächen
der Bailustrade waren dazu noch durch Öffnun-
gen in reichem Barockumriß belebt, durch wel-
che der Blick in die grünenden und blühenden
Fruchtgärten der Villa, in die Landschaft der
Bagheria und auf das Meer schweifen konnte.
Je drei vasenartige Gebilde in lebendigster Ver-
schnörkelung ragten auf niedrigen Postamenten
über diesen breiten, durchbrochenen Ballustra-
denstücken in all ihrer exzentrischen Phantasie
auf. Das ganze muß, namentlich in diesen gewal-
tigen Höhen- und Längendimensionen, mit sei-
nen Durchblicken und dem Abheben der zer-
fetzten Silhouetten, besonders der hochhinan-
steigenden Figurengruppen vor der Bläue des
Himmels, architektonisch einen nicht unbedeu-
tenden Eindruck im Sinne des Barocks abgege-
ben haben (Taf. 25b), wenn man nicht am Detail
haften blieb, woran auch ein richtiger, aus der
Barockzeit kommender Besucher kaum den An-
stand genommen hätte, wie die im Sinne des
Klassizismus und der Antike groß gewordenen
und denkenden Reisenden des ausgehenden J alir-
hunderts. Im Gegenteil, durch diese Triumph-
avenu barocken Denkens, durch diese Galerie
der Unwirklichkeiten gewissermaßen spießruten-
laufend, sollte er erst auf das Schloß, auf das
„Haus der Laune", vorbereitet werden, worin
dem Nonsens ein Heim bereitet war.
Hören wir vorerst, was ein, wenn auch schon im
Sinne des westlichen Klassizismus und seiner
edlen Einfachheit befangener Reisender von
Stand, der Comte de Borch 1777 über diese
Barockschöpfung zu sagen hat:
„Der Prinz Palagonia lies vorne nach der Länge
des Gebäudes eine doppelte Mauer mit einem
Geländer aufführen, auf welches er Figuren auf-
stellen lies, die aus einem Muscheltopf bestehen,
und tausenderley abentheuerliche Dinge vorstel-
len. Bald sieht man eine weibliche Figur mit
einem Pferdskopf, die an einem Putztisch sitzt
und mit Menschenfiguren, die auf eine unge-
heure Art mit allerley Thierköpfen entstellt
sind, umgeben ist. Bald glaubt man die Entfüh-
rung der Europa unter den lächerlichsten Bil-
dern zu sehen, und die abenteuerlichen Gedan-
ken des Prinzen giengen bisweilen so weit, daß
er einer Figur sogar vier Köpfe aufsetzen lies.
Man sieht hier überhaupt alles, was Ovids Ver-
wandlungen und die verwirrteste Einbildungs-
kraft in dieser Art Wunderbares haben herfür-
bringen können, miteinander vereinigt, und wenn
der Cardinal von Este sich beym Ariost über den
großen Reichtum und die Leichtigkeit seiner
Gedanken verwundert hat, was würde er nicht
gesagt haben, wenn er einen Blick auf diese Un-
geheuer geworfen hätte?"
Bei all diesen barocken Gedankengängen, dem
absichtlichen Widersinn, aus dem heraus diese
Plastiken geschaffen waren, tritt also auch der
Zug deutlich hervor, sich über die Antike lustig
zu machen, was allein einem Klassizisten des
ausgehenden 18. Jahrhunderts das Blut in den
Kopf getrieben haben muß.
Aber das alles war von tausenderlei andern
eigenartigen Ideen umrankt und, wenn auch
Europa mit einem Raubtierkopf, die Rute oder
gar das Blitzbündel des Donnerers schwingend,
ihren Jupiter als Stier zugleich anzutreiben und
zu zähmen schien, den wieder ein affenartiges
Ungeheuer mit einem Hasenkopf am Schwanz
von diesem galanten Abenteuer zurückzuhalten
suchte, wenn sich auf einem anderen Postament
die Jagd der Diana und Verwandlung des Ak-
täon in ähnlich groteske Form vollzog, Harlekins
von Schlangen umwunden, auf die Laokoonsage
deuteten, Achill und Chiron von Pulcinellen um-
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