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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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Nr. 4
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Lohmeyer, Karl: Palagonisches Barock
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0152

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ler mit Stelzfuß, Jäger, Pilger und eine ganze
Welt derartiger Rokokotypen, dazu Göttergestal-
ten der Antike aller Art neben Harpyen und
Zwergen, eine drollige Plastik, die auf die Midas-
sage deutet, Zwerge mit Riesenköpfen, gelagerte
Riesen und was immer es sein mag. Und noch
üppiger in der Phantasie ist das rechte Halbrund
ausgeziert, das wieder mit den kauernden Phan-
tasiedrachen anhebt, wie wir sie übrigens auch
ähnlich, wenn auch feiner ersonnen im Veits-
höchheimer Park bei Würzburg bewundern kön-
nen. Sonst scheinen auf dieser Seite Musikanten
aller Art ein greuliches Konzert zu veranstalten,
dazu schwingt ein Ritter knallend seine Peitsche,
spielt ein Italiener Dudelsack, klappert ein Spa-
nier mit seinen Kastagnetten, streicht ein Kava-
lier eine ungeheure Baßgeige, während ein an-
derer, im Sessel sitzend, Gitarre spielt. Türken
und Mohren vermehren, wieder in echter Barock-
freude am Exotischen, dies Gemisch aller Völ-
ker und Stände, dazwischen bietet eine Marke-
tenderin ihre Ware aus, vollzieht sich in gro-
tesker Form der Raub der Sabinerinnen, und auf
kleinen Ungetümen, aus Pferd, Esel, Ziege und
pelikanähnlichem Vogel mit Papageienkopf, mit
menschlichen Gliedern wieder zusammengefügt,
sprengen Reiter in diesen Hexensabbat hinein,
und so geht es weiter in buntem verwirrendem
Gemisch und in dem ungehemmten Auswirken
einer vor nichts zurückschreckenden barocken
Phantasie.

Iiier hat dieses Figurenwerk in manchem Detail
etwas Amüsantes angenommen, das selbst graziös
hie und da zu nennen wäre, wenn andere Künst-
ler und besseres Steinmaterial zur Verfügung ge-
standen hätten. Was hätte wohl aus einer solchen
Genrewelt Ferdinand Diez, der Meister der
Trierer Palasttreppe, der Plastik von Veitshöch-
heim und der im Klassizismus zerschlagenen
vom Seehof bei Bamberg, zusammen mit einem
solchen Auftraggeber, wie dem Fürsten Pala-
gonia, daraus gestaltet?

Was diese erhaltenen Plastiken hier angeht, so
ist die Angabe bei Brydone und andern die, daß
keine vorhanden wäre, die etwas darstelle, was
es im Himmel und auf der Erde gäbe, wie so
vieles in diesen schnell Notizen erraffenden und
für ein zeitgemäßes Publikum schreibenden
Reisenden arg übertrieben. —- Diese Aufgabe
wäre selbst für einen Mann von der Einbildungs-
kraft des Fürsten Palagonia zuviel gewesen.
An diesen runden Haupthof schließt sich rück-

wärts ein viereckiger Hof an mit umgebenden
niedrigen aber breiteren Bauten, die rechts vom
Schloß durch die angefügte Kapelle wieder in
viereckigem Grundriß ihren Abschluß erhalten,
in der sich heute nichts mehr von den von
Goethe beschriebenen Absurditäten befindet.
Und auch die Plastiken an ihrer Vorderfront,
die Madonna in der Mitte aus Marmor, Putten
und Heilige sind durchaus normal. Auch über
die Form dieses Hofes bestehen in den Reise-
berichten insofern Unklarheiten, als ihm die
einen als Halbrund, die anderen als Viereck an-
geben (Taf. 25 b).

Den rückwärtigen Abschluß der ganzen Anlage
bildet wieder ein Tordurchgang, von vier Pfei-
lern mit Obelisken darauf begrenzt (Taf. 28 c),
durch den hindurch sich ein wirksamer Durch-
blick auf die mäßig geschweifte Schloßrückfront
ergibt (Taf. 25 c). Die äußeren Eingangspfeiler
begleiten auch hier wieder zwei stehende gro-
teske, plumpe Marmorfiguren mit überdicken
Köpfen, auf anschwellenden Sockeln, die hier
wohl einen Narren und einen Weisen scherzhaft
versinnbildlichen sollen, den Narren als Bajazzo,
den Weisen in komischer Anlehnung an den an-
tiken Sokratestypus (Taf. 26 b).

Wir kommen nun zum eigentlichen Schloßbau,
dem Casino der Villa. Das ist eine durchaus
ernst zu nehmende barocke Architekturangele-
genheit, in allem und jenem auf eine Fülle der
Form und Mannigfaltigkeit bis zur verwickelten
Grundrißlösung eingestellt (Taf.25b). Die Haupt-
front nach dem Viale zu ist zu einem Ehrenhof
eingebogen, den allerdings eine riesige Treppen-
anlage fast ausfüllt und den seitlich zwei schräg-
gestellte viereckige Pavillonsbegrenzen (Taf. 26d).
Schräge lange Seitenfronten führen von diesen
Eckpavillons zurück bis zu den entsprechenden
Rückpavillons, die mit der hinteren Front des
Kasinos zu einem flachen Halbrund zusammen-
laufen, das nur im Hauptgeschoß durch zwei
seitliche Terrassen unterbrochen wird. Das rück-
wärtige Mittelrisalit (Taf. 25 c) zeigt im Haupt-
geschoß drei breite Fenster mit Rundbogen, hin-
ter denen die Galerie liegt. Sein Gesims schwingt
sich zu einem Doppelgiebel zusammen, in dem
das Wappen des Geschlechtes sitzt, und dessen
oberstes Giebeldreieck von einem Adler mit
Papageienschopf gekrönt wird (Taf. 25 c). Auch
das vordere Mittelrisalit hat einen hochgeführ-
ten und noch reicher verzierten Giebelaufsatz,
von dem eine Balustrade zu den Seitenteilen

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