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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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Nr. 4
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Grotte, Alfred: Neue Forschungen über das Kloster Grüssau
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Mitteilungen und Berichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0171

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enthalten auch den Namen des Baukünstlers
Johann-Gottlob Feller, der sich selbst als Maurer-
meister bezeichnet, während die Urkunden dar-
auf hinweisen, daß bei dem Bau auch ein
Zimmermeister Böhm tätig gewesen sei. Von
Feller berichten die Urkunden nur, daß er in
Sagan Stiftsbaumeister der Augustiner-Chor-
herren gewesen und nach Grüssau berufen wor-
den sei, von wo er dann plötzlich wieder ver-
schwand. Sein Projekt unterscheidet sich wesent-
lich von demjenigen des Jahres 1740; die For-
men sind weitaus nüchterner und dem preußi-
schen Zeitgeschmacke näher, als dem österreichi-

schen, stehend. Auch dieser Bau litt unter den
Wirren der Kriege, und mußte wiederholt unter-
brochen werden. Die Urkunden berichten, daß
der große König 1780 den Weiterbau befahl, als
einer Art praktischer Arbeitslosenhilfe für den
Landeshuter Bezirk. Das Kloster wurde 1810
durch das Sekularisationsedikt aufgehoben; in-
dessen erwies sich der Besitz des Klosters als
Bürde für den Staat. Es wird berichtet, daß z. B.
der prächtige, in Weiß und Gold gehaltene
Bibliothekssaal als Heuboden verwendet wurde.
Erst 1919 bezogen das Kloster wieder deutsche
Benediktiner aus Prag. A. Grotte

MITTEILUNGEN UND BERICHTE

MOTIVGESCHICHTLICHE NOTIZ ZUR
WÜRZBURGER RESIDENZ. Anläßlich seiner
Besprechung des Sedhnaier-Pfisterschen Werkes
über die Würzburger Residenz (Belvedere
Bd. 8, 1925, S. 13 ff.) hat B. Grimschitz als
grundsätzlichen Mangel der „Formulierung des
wissenschaftlichen Problems" die „Loslösung
der Untersuchung vom historischen Ablauf der
Entwicklung" bezeichnet. Man kann bezweifeln,
ob neben der monographischen Sorgfalt und
Gründlichkeit des Residenzwerkes, die eine be-
wußte Isolierung voraussetzt, die Aufnahme
der komplizierten entwicklungsgeschichtlichen
Fragestellungen tunlich gewesen wäre. Eine ge-
naue Festlegung des stilgeschichtlichen Ortes
der Residenz setzt Einsichten in die Entwick-
lung der europäischen Architektur voraus, die
bei den damaligen Arbeitsbedingungen, dem
Stand der materiellen Vorarbeiten und der stil-
begrifflichen Forschung gar nicht zu gewinnen
gewesen wären. Trotzdem, die Forderung von
Grimschitz bezeichnet den Weg, den eine künf-
tige Wiederaufnahme des Problems zu gehen
hat. Vielleicht gibt die folgende flüchtige Notiz
einen Anreiz zu weiteren LTntersuchungen.
Zu einer Zeit, der Neumann noch als der
alleinige Schöpfer der Residenz galt, hat C. Ha-
bicht in einem Aufsatz über die „Herkunft der
Kenntnisse Balthasar Neumanns auf dem Ge-
biete der Civilbaukunst" (Monatsh. f. Kunst-
wissenschaft 1916, Bd. 9, 2, S. 46ff.) auf Zusam-
menhänge des Residenzaufrisses mit einem Ent-
wurf in L. C. Sturms Prodrommus Architecturae
Goldmannianae hingewiesen (Taf. 32 a). Hans
Rose hat in seinem „Spätbarock" (S. 133) diesen
Hinweis aufgenommen unddenSturm-Goldmami-
schen Entwurf weiterhin vermutungsweise mit
dem Amsterdamer Rathaus in Verbindung ge-
bracht. Diese Verbindung der fränkischen Resi-

denz mit dem holländischen Palladianismus hat
etwas außerordentlich Unwahrscheinliches, nichts
am Bau selbst, aber auch nichts in den Verhält-
nissen der Bauherren und der Architekten weist
auf Beziehungen zum holländisch-norddeutschen
Klassizismus hin. Roses feines Gefühl hat zu-
nächst ganz anders gesprochen; in der Ein-
gangsbemerkung heißt es: „Den vierteiligen
Aufbau der Vorderflügel (Erdgeschoß Mezza-
nin, Hauptgeschoß Mezzanin) möchte man zu-
nächst italienisch deuten."

Diese Mutmaßung auf unmittelbare italienische
Herkunft des Aufrißsystems der Residenzflügel
läßt sich mit großer Wahrscheinlichkeit als rich-
tig erweisen. Die Forschungen Sedhnaiers haben
ergeben, daß Hildebrand schon in der Pla-
nungs- und Gründungsperiode der Residenz
einen bedeutenden Einfluß auf die Gestaltung
gehabt haben muß, und die inzwischen neuge-
fundenen Residenzentwürfe haben W. Herrmann
(Jahrb. d. Preuß. Kunstslgn. Bd. 49, S. 111 ff.)
veranlaßt, den Einfluß Hildebrands auf die
frühen Planungen noch mehr zu betonen. Be-
züglich des Aufrißsystems der Flügel, das zu-
nächst im „ersten Mainzer Projekt" des unteren
Halbgeschosses entbehrte, geht aus Plänen und
Akten mit fast völliger Sicherheit hervor, daß
es Hildebrand war, der die doppelten Mezzanine,
die ausschlaggebend den Rhythmus der Fassaden
bestimmen, durchgedrückt hat (Taf. 32 c), (vgl.
Sedlmaier-Pfister, a. a. 0., S. 15 f., und Herr-
mann, a. a. 0., S. 115 ff.). Damit sind wir aber
von der holländischen Architektur und der
norddeutschen Theorie noch weiter als bei
Welsch und Neumann abgerückt. Hildebrand ist
in Genua geboren und hat die ersten drei Jahr-
zehnte seines Lebens in Italien verbracht. Und
nun ist gerade Genua diejenige Stadt, in der die
sonst auch in Italien seltene, im Norden aber

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