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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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Nr. 5
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Pfitzner, Carlheinz: Studien zur Verwendung des Schwibbogensystems unter besonderer Berücksichtigung der Abteikirche von Jumièges
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0187

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ihrem jetzigen Zustande zeigt sie sich als drei-
schiffige Basilika mit vorgelegtem, wenig aus-
ladendem Querschiff, Krypta und halbrunder
Apsis. Die Seitenschiffe sind gewölbt. Das Mit-
telschiff hat eine flache Holzdecke, die auf
massiven Bögen über Pfeilern ruht. Es besteht
Slützenwechsel; auf je zwei Säulen kommt ein
querrechteckiger Pfeiler. Diese Pfeiler haben
sich aber als nachträgliche Zutat erwiesen; jeder
von ihnen ummantelt eine Säule, wie Munoz
festgestellt hat1). Im übrigen überschneiden
einige der Bögen die jetzt zugemauerten Fen-
ster des 9. Jahrh. Die nachträgliche Verstrebung
des Obergadens wird wahrscheinlich mit der
Einwölbung der Seitenschiffe im 16. Jahrh. vor
sich gegangen sein").

Im endenden 10. und frühen 11. Jahrh. läßt sich
nun gleichzeitig in mehreren Gegenden die ur-
sprüngliche Verwendung von Schwibbogen in
den Seitenschiffen nachweisen. So treten in der
Lombardei in einer kleinen Anzahl von Kirchen
T-förmige Pfeiler auf, d. h. rechteckige Stützen
mit Vorlagen zu den Seitenschiffen hin. In
keinem Falle sind diese Bauten in ihrem ur-
sprünglichen Zustande erhalten, und so ist es
auch im einzelnen schwer nachweisbar gewor-
den, oh diesen Pfeilervorlagen auch Dienste an
den Seitenschiffswänden entsprochen haben.
Wo dieses der Fall ist, darf man auf Grund der
Tatsache, daß das Querbogensystem in der Lom-
bardei in späterer Zeit sehr verbreitet ist, mit
einiger Sicherheit annehmen, daß hier Wand- u.
Pfeilervorlagen durch Schwibbogen bedingt wur-
den. Das bekannteste Beispiel ist die alte Kirche
S. Eustorgio, die 1159 fast vollständig zerstört
wurde, deren Ostpartie aber in der heutigen
Kirche des 12. Jahrh. erhalten blieb3). Jeder
Pfeiler war hier mit der Seitenschiffswand durch
Querbögen verbunden. Auch in S. Sofia in Pa-

A. Munoz in Dissertat. dell'acatL Pontif. seria 2.
Roma 1918. S. 127.

2) Auch bei dem oftgenannten Bspl. der Vorhalle v.
S. Sabina in Rom handelt es sich um einen Umbau des
17. Jahrh. wie deutlich aus der erhaltenen „Cronaca di
S. Sabina" hervorgeht. Die urspr. Vorhalle sah aus wie
der loggienähnliche Vorbau v. S. Alessio i. Rom. (Vgl.
Berliner, l'Eglise de Ste. Sabine, Rom 1910. S. 101 f.
Die Cronaca ebenda veröffentl. S. 527 f.)

") R. Cattaneo, l'Archittetura in Italia dal. see. 6 al
mille circa. Venedig 1889, S. 225 f., Abb. 133. Er datiert
die Kirche um 900. Da die Apsis v. S. Eustorgio eine
entwickeltere Form zeigt als diejenige v. S. Ambrogio,
die 940 angesetzt wird, erscheint eine Datierung i. d.
2. H. d. 10. Jahrh. glaubwürdiger. (Vgl. auch Kingsley
Porter, Lombard Architecture, Bd. 1, S. 99; Bd. 2,
S. 614.)

dua, heute im wesentlichen ein Bau von 1106
bis 1123, der noch im 12. Jahrh. gewölbt wurde,
steckt ein frühromanischer Kern, den schon
Cattaneo nachwies, und für den Kingsley Porter
Querbogen im Seitenschiff annimmt1). Reste
davon sollen sich namentlich im östlichen Joch
des südlichen Seitenschiffes, über dem sich jetzt
der gotische Campanile befindet, erhalten ha-
ben. Kingsley Porters Rekonstruktion dieses ur-
sprünglichen Baus erscheint allerdings zu ge-
wagt; auf Grund der Tatsache, daß sowohl am
zweiten, wie am sechsten Pfeiler die einstige
T-Form der Stützen zu erkennen ist, nimmt er
einen Stützenwechsel an zwischen T-Pfeilern
und rechteckigen Stützen2). Von ersteren seien
Querbögen ausgegangen. Wenn diese auch durch
erhaltene Reste am sechsten Pfeilerpaar ge-
sichert erscheinen, so bleibt die Annahme von
Stiitzenwchsel doch sehr fraglich, da die vor-
handenen Gegebenheiten nicht zu ihrer Be-
stätigung genügen. Kingsley Porter schließt nun
an diese Rekonstruktion eine Erklärung zur
Entstehung des Stützen wechseis in der Lom-
bardei, die, obwohl sie für uns nicht durch
S. Sofia in Padua bewiesen wird, doch dort zu-
treffend ist, wo Stützenwechsel in der Lombar-
dei zum erstenmal gesichert auftritt3). „It now
seems to nie, that the alternate sytsem may have
originated from a far more vital structural ne-
cessity, that is to say, from the use of trans-
verse arches"4).

*) Cattaneo, a. a. 0. S. 291, Kingsley P. Bd. 3, S. 119 f.,
Frankl, a. a. 0. S. 202. Der friihroman. Bau v. Kingsley
P. um 1010 datiert.

2) Kingsley P., Bd. 3, S. 124, S. 126.

3) Ders. Bd. 1, S. 97.

4) Im Allgemeinen wurde bisher angenommen, daß in
der Lombardei Stützenwechsel schon 985 in der Kirche
S. Feiice e Fortunato auftritt. Auch hier sind wir auf
die Angaben Cattancos angewiesen, der die Kirche noch
vor der Restauration, 1893, sah. Damals waren einige
der urspr. Stützen d. Ostpartie i. d. Mauern erhalten,
die im 16. Jahrh. zur Trennung der östl. Msch.joche v.
d. Schff. eingezogen wurden. (Cattaneo, a. a. 0. S. 227 f.,
Kingsley P., Bd. 3, S. 552, PI. 239, 3, 4.) In der Tat
weisen die Reste auf Stw. zw. Säulen u. kreuzförm. Pfei-
lern hin. Diese entwickelte Art d. Stw. tritt sonst aber,
wie noch gezeigt wird, i. d. Lombardei erst i. 12. Jahrh.
auf. Da nun die erhaltenen Baudaten d. Kirche sich
meistens auf das 12. Jahrh. beziehen, die zum mindesten
einen Umbau d. frühroman. Kirche beweisen, wird auch
der Stützenwechsel erst dieser Zeit angehören, wahr-
scheinlich i. Verbindung in. Querbögen über dem Mschff.,
in Analogie m. d. Dom von Modena u. seine Schule.
Kingsley P. nimmt aus frühen Beschreibungen d. Kirche
an, daß sie eine Säulenbasilika war. Er datiert sie um
1030 (Bd. 3, S. 562). Den Stw. hält er für ursprünglich,
glaubt aber, daß er auf die Chorpartie beschränkt blieb.

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